Berlin. .
Die Diskussion um die Rente mit 67 gewinnt an Fahrt: Vertreter des linken Parteiflügels der SPD fordern, dass der Parteitag die Aussetzung der Reform formal beschließen soll. Die Gewerkschaften fordern den Verzicht auf die Rente mit 67.
Nach dem Kompromissvorschlag der SPD-Parteispitze zur Rente mit 67 gewinnt die Debatte an Fahrt. Vertreter des linken Parteiflügels fordern nun, dass der Parteitag Ende September die Aussetzung der Reform formal beschließen soll. Aus den Gewerkschaften kommt die Forderung nach einem generellen Verzicht auf die Rente mit 67. Bei den Arbeitgebern stößt der Kompromiss erwartungsgemäß auf Ablehnung. Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi sprach sich gegen jegliche Anhebung des Rentenalters aus.
SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Generalsekretärin Andrea Nahles hatten sich Medienangaben zufolge auf den Kompromiss geeinigt, den sie der engeren Parteiführung am Montag vorlegen wollen. Danach soll der Beginn der Reform so lange ausgesetzt werden, bis 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Derzeit liegt die Quote bei rund 25 Prozent.
Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner sagte: „Man kann nicht den ganzen Sommer diskutieren, ohne dann den Parteitag mit dem Thema zu befassen.“ Bislang will die Parteispitze lediglich auf den für Montag geplanten Beschluss verweisen und vom Parteitag eine Kommission zur Erarbeitung weiterer Ausnahmen etwa bei der Erwerbsminderungsrente einsetzen lassen.
Gewerkschaften geht der Kompromissvorschlag nicht weit genug
„Über das Verfahren besteht noch erheblicher Beratungs- und Diskussionsbedarf“, sagte der Sprecher der Parteilinken, Björn Böhning. Er erwarte, „dass sich der Parteitag mit der Rente mit 67 befasst und endgültig beschließt“.
Das aber wollen die Pragmatiker in der Partei nicht: „Ich halte die Forderung für falsch“, sagte Garrelt Duin vom konservativen Seeheimer Kreis. „Der Parteitag sollte sich mit unseren Konzepten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik beschäftigen“, fügte er hinzu.
Auch der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, sagte mit Blick auf Böhnings Forderung nach einem Parteitagsbeschluss, eine „offene Feldschlacht“ helfe „der Sache in der Regel selten“. Die 50-Prozent-Beschäftigungsquote der 60- bis 64-Jährigen hält Kahrs für sinnvoll. Die Rente mit 67 mache erst Sinn, wenn auch genügend Ältere in Arbeit blieben.
Den Gewerkschaften geht der Kompromissvorschlag nicht weit genug. Die Kurskorrektur der SPD-Spitze sei ein „Schritt in die richtige Richtung“, sagte ver.di-Chef Frank Bsirske. „Das reicht aber noch nicht.“ Denn die meisten Beschäftigten schafften es schon jetzt kaum, bis zum Rentenalter zu arbeiten. Die Politik sollte sich deshalb „vollständig von der Rente mit 67 verabschieden“.
Auch für die IG Metall greift der Vorschlag zu kurz. Ihr Zweiter Vorsitzender Detlef Wetzel sagte, die Politik müsse die wachsende Zahl prekärer Jobs in den Blick nehmen. Durch die Zunahme unsicherer und schlecht bezahlter Arbeit erhielten immer mehr Menschen nur noch Armutsrenten.
Gysi: Anhebung des Rentenalters sei „ungerecht und unnötig“
Bei den Arbeitgebern stößt der Vorschlag der SPD-Spitze auf Ablehnung. Es sei „grundsätzlich falsch“, mit der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer zu argumentieren, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Ulrich Brocker. Die niedrige Quote sei das Ergebnis einer jahrzehntelangen Frühverrentungspolitik, mit der ältere Arbeitnehmer aus den Firmen gedrängt worden seien.
Der Linke-Politiker Gysi bezeichnete den Rentenkompromiss der SPD als „Opposition gegen sich selbst“. Der jetzige Plan der SPD werde an der Mehrheit von Union, FDP und Grünen scheitern. Die Anhebung des Rentenalters sei „ungerecht und unnötig“.
Nach Informationen des „Hamburger Abendblatts“ will die Linke an ihrem Vorhaben festhalten, einen Gesetzentwurf zur Aussetzung der Rente mit 67 im Bundestag zur Abstimmung zu bringen. Laut einem Referentenentwurf schlage die Partei eine Verschiebung der Anhebung des Rentenalters um vier Jahre auf 2016 vor. Parteikreisen zufolge strebt die Fraktion den 2. Dezember als Abstimmungstermin im Bundestag an. (ddp)