Berlin. .

Die Bundesregierung hat die Bürger in Deutschland auf schmerzhafte Sparbeschlüsse eingestimmt. Am Montagmittag will sie ihr milliardenschweres Sparpaket für die kommenden Jahre vorstellen.

Die Bundesregierung hat die Bürger in Deutschland auf schmerzhafte Sparbeschlüsse eingestimmt. Das Kabinett begann am Sonntag mit seiner zweitägigen Haushaltsklausur. Die Minister berieten über eine lange Streichliste mit Kürzungen, unter anderem beim Eltergeld und bei den Ausgaben für Arbeitslose. Die Regierung erwägt zudem eine neue Brennelementesteuer für Atomkraftwerke sowie einen massiven Stellenabbau beim Bund.

Kanzlerin Angela Merkel sagte vor Beginn der Sitzung im Kanzleramt, Ziel sei eine „wirkliche Kehrtwende“ bei den Staatsfinanzen. Vor allem die Ausgabenseite müsse in Ordnung gebracht werden. „Wir können nur das ausgeben, was wir einnehmen“, betonte die CDU-Vorsitzende.

Vizekanzler Guido Westerwelle sagte, zu lange habe auch die Politik über ihre Verhältnisse gelebt. „Jetzt ist eine Zeit des Sparens angesagt.“ Klare Priorität im Haushalt hätten aber weiterhin Forschung und Bildung. „Das ist das Fundament unseres Wohlstands“, betonte der FDP-Chef.

Es wird damit gerechnet, dass Kanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle am Mittag gemeinsam vor die Medien treten, um die Beschlüsse zu verkünden. Am Nachmittag (16.00 Uhr) will dann die CDU/CSU-Bundestagsfraktion darüber beraten, am Abend (19.00 Uhr) die FDP-Fraktion. Es wird damit gerechnet, dass die Fraktionen noch einigen Änderungsbedarf anmelden.

Montagmittag will die schwarz-gelbe Regierungskoalition die Ergebnisse der  zweitägigen Haushaltsklausur präsentieren.
Montagmittag will die schwarz-gelbe Regierungskoalition die Ergebnisse der zweitägigen Haushaltsklausur präsentieren. © ddp

Zehn Milliarden Euro pro Jahr sparen

Grundlage der Beratungen ist ein siebenseitiges Eckpunktepapier, das eine Koalitions-Arbeitsgruppe erarbeitet hat. Um das Sparziel von zehn Milliarden Euro pro Jahr einzuhalten, erwägt die Bundesregierung demnach unter anderem einen Stellenabbau von 1,5 Prozent in der Bundesverwaltung. Dies käme bis zu 15.000 Stellen gleich. In dem Papier schlagen die Finanzpolitiker nach Informationen der Nachrichtenagentur DAPD aus Unionskreisen jedoch vor, auf Entlassungen zu verzichten. Stattdessen sollen frei werdende Stellen nicht wieder besetzt werden.

Rund sechs Milliarden Euro könnten dem Papier zufolge in der Endstufe 2014 eingespart werden, indem die Bundesagentur für Arbeit mehr Ermessensspielraum bei der Auswahl ihrer Maßnahmen zugunsten von Arbeitslosen bekommt. Die Schätzung basiert allerdings darauf, dass die Arbeitslosigkeit nicht steigt.

Beim Elterngeld steht infrage, ob die beiden Vätermonate erhalten bleiben oder der Höchstbetrag von aktuell 1.800 Euro monatlich gesenkt wird, wie es in den Unionskreisen weiter hieß. Denkbar sei auch, dass das Elterngeld für Hartz-IV-Bezieher gestrichen werde.

Vorerst keine Änderungen bei Mehrwertsteuer

Als „relativ wahrscheinlich“ gilt den Kreisen zufolge, dass eine neue Steuer auf Brennelemente für Atomkraftwerke beschlossen wird. Damit sollen die Zusatzgewinne der Energiekonzerne aus der geplanten Verlängerung der Laufzeiten teilweise abgeschöpft werden. Das Steueraufkommen dafür könnte einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag ausmachen, sagten Unionskreise dem DAPD.

Im Gespräch sei darüber hinaus, die ermäßigte Ökosteuer für Firmen abzuschaffen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Dies könnte ebenfalls einen einstelligen Milliardenbetrag erbringen. Kurzfristige Änderungen zur Angleichung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze seien hingegen nicht zu erwarten.

Kein Geld für Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses

Zur Disposition steht den Angaben zufolge auch die Förderung für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses von mehr als 400 Millionen Euro. Zusammengenommen würden diese Maßnahmen in jedem Fall den erforderlichen Sparbetrag von zehn Milliarden Euro für 2011 erbringen, hieß es in Regierungskreisen.

SPD, Grüne und die Linke warnten die Regierung schon vorab vor Einschnitten in den Sozialhaushalt. Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: „Wer bei Arbeitslosen, Rentnern und Studenten sparen will, muss mit hartem Widerstand der SPD rechnen.“ Statt den Mumm aufzubringen, die Spekulanten zu besteuern, wolle Schwarz-Gelb wieder bei denen sparen, die sich nicht wehren könnten. Grünen-Parteichef Cem Özdemir regte erneut an, eine befristete Abgabe auf große Vermögen zu erheben und den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Linken-Chefin Gesine Lötzsch erklärte, die Strategie der Kanzlerin sei „asozial“ und gefährde den sozialen Frieden.

DGB-Chef Michael Sommer kritisiert Sparmaßnahmen bei Sozialleistungen

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, kritisiert die angekündigten Sparmaßnahmen der Regierung bei den Sozialleistungen. „Das hat mit Sparen nichts zu tun, sondern man merkt die Absicht: Man will bei den ganz Armen rein, um die Großen zu schonen“, sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Eine Halbierung der Mittel für Arbeitsmarktinstrumente würde dem Land schaden, meinte Sommer. Er wandte sich auch dagegen, die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere zurückzunehmen.

Er forderte eine Erhöhung der Erbschaftsteuer, die Einführung einer Vermögensteuer und eine Finanztransaktionssteuer. „Wir sollten uns eher, bevor wir in den Sozialetat gehen, mal überlegen, wo wir bei den Reichen und Superreichen in diesem Land reingehen... Dann brauchen sie nicht unten zu sparen, sondern würden sie oben genug Geld einnehmen, ohne letztendlich dieses Land zu ruinieren oder die soziale Balance außer Kraft zu setzen“, argumentierte der DGB-Chef.

„Die sozial Schwachen sind die Leidtragenden einer verfehlten Haushaltspolitik“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, der „Berliner Zeitung“ (Montagausgabe). „Kürzungen bei den Ärmsten der Gesellschaft sind ökonomischer Unsinn, da sie die Binnenkonjunktur schwächen“, fügte er hinzu. Schneider bezog sich unter anderem auf die Pläne in der Koalition, das Elterngeld für „Hartz IV“-Empfänger zu streichen. (apn)