Berlin. .
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast fordert Bundeskanzlerin Merkel (CDU) auf, „dem Land eine klare Linie vorzulegen“. Merkel betreibe eine „Politik ohne Wertegerüst“ und lasse „die Dinge aus reinem Machterhalt treiben“.
In der Debatte über die Wahl des künftigen Bundespräsidenten ist Grünen-Fraktionschefin Renate Künast Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ungewöhnlichen scharfen Worten angegangen. Merkel betreibe eine „Politik ohne Wertegerüst“, sagte Künast der „Leipziger Volkszeitung“ (Montagsausgabe). Sie warf der Kanzlerin vor, damit „die demokratischen Institutionen nicht nur in Frage zu stellen, sondern zu zerrütten“. Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler räche sich nun, dass Merkel „immer nur an sich, an den Erhalt ihrer Machtposition“ denke. Die Kanzlerin müsse „doch mindestens den eigenen Verein zur Besinnung bringen“, fügte Künast mit Blick auf die Wahl des künftigen Bundespräsidenten hinzu.
Die Kanzlerin lasse „die Dinge aus reinem Machterhalt treiben“, sagte Künast. Es lohne sich nicht mehr, Vorschläge der schwarz-gelben Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen, „weil das, was heute gilt, morgen schon wieder an der Koalition selbst, am Widerstand aus der eigenen Partei heraus oder am Machtkalkül einer Länder-Riege“ scheitere. Mit dem Rücktritt Köhlers hätte es der Kanzlerin „klar werden müssen, wie ernst die Krise ist“. Wenn ein Bundespräsident „sein Amt einfach so wegwirft“, müsse eine Regierung einen klaren Weg aufzeigen. Stattdessen werde „nur danach getrachtet, wie sich Schwarz-Gelb weiter den Staat zur Beute machen“ könne, kritisierte Künast.
Mit Gauck wäre „ein grandioser Coup gelungen“
Schon kurz nach seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Berliner Koalition werde der amtierende niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) aus dem eigenen Lager heraus klein gemacht. Hätte die Kanzlerin hingegen den „Bürgerkandidaten Joachim Gauck“ (parteilos) unterstützt, so wäre ihr „ein grandioser Coup gelungen“, fuhr Künast fort. „Ein Bundespräsident Gauck würde dem Land gut tun, das spürt jeder und es wäre von Merkel ein Befreiungsschlag und ein Zeichen des Mutes gewesen.“ Allerdings hätte dies den Mut der Kanzlerin vorausgesetzt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.
Köhler war nach sechsjähriger Amtszeit am Wochenbeginn überraschend zurückgetreten. Die Regierungskoalition suchte daraufhin fieberhaft nach einem geeigneten Nachfolger. Nachdem zunächst vor allem Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Favoritin gehandelt worden war, präsentierten Merkel, FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer schließlich Wulff als ihren Kandidaten. (afp)