Brüssel/Berlin. .
Die EU will für hoch verschuldete Euro-Länder ein beispielloses Hilfspaket von 600 Milliarden Euro schnüren. Diese Summe wurde am Sonntagabend beim Krisentreffen der EU-Finanzminister diskutiert, wie Diplomaten sagten. Vorher war von 500 Milliarden die Rede gewesen.
Eine Hilfszusage in Höhe bis zu 600 Milliarden Euro soll den Spekulationen gegen die Sorgenkinder der Währungsunion ein Ende bereiten. Diese Lösung zeichnete sich am Sonntagabend beim Krisentreffen der EU-Finanzminister in Brüssel ab. Beraten wurde über eine Mischung aus bilateralen Hilfen der übrigen Euro-Staaten in Höhe von 440 Milliarden Euro und Notkrediten der EU-Kommission im Umfang von 60 Milliarden Euro, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Zusätzlich werde ein Beitrag von 100 Milliarden des Internationalen Währungsfonds erwartet.
Strittig war kurz vor Mitternacht aber noch, ob die bilateralen Hilfen in Krediten oder lediglich in Bürgschaften bestehen sollen. Während Deutschland und Frankreich nach Angaben aus Diplomatenkreisen eine Kreditzusage forderten, wandten sich kleinere Staaten entschieden dagegen.
Abwehr von Spekulanten
Offen war auch, ob die am stärksten von Spekulanten bedrohten Länder Spanien und Portugal den von den übrigen Ländern gestellten Bedingungen für eine solche Hilfszusage zustimmen würden: Eine zusätzliche Defizitminderung von 1,5 in diesem und zwei Prozent im kommenden Jahr. Tatsächlich aktiviert werden sollten die Hilfen überdies erst dann, wenn die beiden Länder eines Tages kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehen sollten.
Als rechtliche Grundlage für den neuen Mechanismus zur Abwehr von Spekulanten solle Artikel 122 des Lissabon-Vertrages dienen, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. Er erlaubt finanziellen Beistand der Union „aufgrund von außergewöhnlichen Ereignissen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“. Im Falle Griechenlands war ein Rückgriff auf diese Klausel noch vermieden worden, weil das hellenische Schuldendrama nicht erst durch die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise ausgelöst wurde.
Schäuble im Krankenhaus
Verzögert wurde die Krisensitzung, weil Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unmittelbar vor Beginn der Beratungen zur Beobachtung in ein Brüsseler Krankenhaus gebracht werden musste. Der Minister habe möglicherweise auf ein Medikament unverträglich reagiert, das er am Vortag erstmals eingenommen habe, erklärte sein Sprecher Michael Offer.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière reiste aus Berlin an, um Schäuble zu vertreten. Es gehe dem Finanzminister aber „so gut, dass er mir seine Verhandlungslinie vorgetragen hat“, sagte de Maizière bei seiner Ankunft in Brüssel. Aus Delegationskreisen verlautete, Schäuble könne das Krankenhaus am Montag wieder verlassen.
Kurse fallen, Euro schmiert ab
Die Einführung eines Stabilisierungsmechanismus für die Eurozone war in der Nacht zum Samstag von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone beschlossen worden. Den Finanzministern der EU erteilten sie den Auftrag, noch vor Börsenöffnung am Montagmorgen einen konkreten Eil-Beschluss zu fassen. Zuvor hatten weltweit fallende Kurse und ein Abschmieren des Euros für große Nervosität gesorgt.
Die Attacken von Spekulanten auf die Einheitswährung glichen „dem Verhalten von Wolfsrudeln“, warnte der schwedische Finanzminister Anders Borg in Brüssel. „Wenn wir dieses Rudel nicht stoppen, werden sie die schwächsten Länder zerreißen.“ (DAPD)