Berlin. .

Großbritannien will sich nicht an Notfallfonds für Euro-Länder beteiligen. Wirtschaftsexperten rechnen derweil damit, dass die Währung weiter an Stärke verliert. Sogar eine Angleichung des Euros zum Dollar sei denkbar. Wirtschaftsminister Brüderle warnt vor einer höheren Inflation.

Großbritannien will sich nicht an dem geplanten Notfallfonds für Euro-Länder beteiligen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag von einem britischen EU-Diplomaten in Brüssel. Die Finanzminister der 27 EU-Staaten beraten am Sonntag ab 15 Uhr bei einer Sondersitzung in Brüssel über den Notfallfonds, mit dem nach Griechenland möglicherweise andere hoch verschuldete Länder gerettet werden sollen.

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten hatten sich in der Nacht zum Samstag grundsätzlich auf die Einrichtung des Fonds geeinigt. In den vergangenen Tagen waren Spanien, Portugal und Italien an den Finanzmärkten stark unter Druck geraten. Für den Notfallfonds könnte die EU-Kommission zinsgünstige Kredite an den Finanzmärkten aufnehmen. Diplomaten sprachen von bis zu 70 Milliarden Euro. Die Europäer erhoffen sich davon ein starkes Signal gegen Spekulanten, bevor am Montag die Märkte öffnen.

Lage sei äußerst ernst

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach dem Gipfeltreffen vom Freitagabend, sie erwarte von dem Ministertreffen am Sonntag in Brüssel ein „sehr klares Signal“ gegen Spekulanten. Mehrere Gipfelteilnehmer machten deutlich, dass sie die Lage als äußerst ernst einschätzen. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sprach von einem „Ausnahmezustand“. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte eine „Generalmobilmachung“, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

Unmittelbar vor dem Sondergipfel der EU-Finanzminister zur Stabilisierung des Euro am Sonntag haben führende Wirtschaftsexperten vor einem weiteren Verfall des Euro gewarnt. Solange die Unsicherheit über Griechenland und andere Mitglieder der Währungsunion andauere, bleibe der Euro unter Druck, sagte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, der „Bild am Sonntag“. „Ich denke, wir werden bald 1,20 gegenüber dem Dollar sehen, und ein weiterer Rückgang in Richtung Parität zum Dollar ist durchaus möglich.“

Deutsche machen sich Sorgen um ihr Geld

Angesichts der Krise des Euros sorgen sich die Deutschen nach einer Umfrage zunehmend um ihr Geld. 52 Prozent der Bundesbürger haben Angst davor, dass es eine Inflation gibt, wie die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf eine Emnid-Umfrage berichtete. Besonders groß sei die Sorge bei den Rentnern, 63 Prozent der Menschen über 65 erwarteten einen Anstieg der Preise. Auf die Frage, ob Deutschland eine Rückkehr zur D-Mark prüfen sollte, antworteten dem Bericht zufolge 59 Prozent der Befragten Bundesbürger mit Ja. Jeder dritte Deutsche glaubt der Umfrage zufolge, dass es den Euro in zehn Jahren nicht mehr geben wird. Für die Erhebung befragte Emnid am vergangenen Donnerstag 502 Bürger.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte der Zeitung, derzeit müsse niemand Angst um sein Geld haben. Die Bundesregierung müsse eine Abwertung des Euro unbedingt verhindern, sagte der Minister. „Inflation ist die größte soziale Ungerechtigkeit, denn unter ihr leiden Rentner und die Menschen, die wenig verdienen, am meisten“.

„Krise darf sich nicht wiederholen“

Der Präsident des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts „Bayerisches Finanz Zentrum“, Wolfgang Gerke, rechnete mit einer Inflationsrate bei „drei bis vier“ Prozent. „Ursache sind die hohen Haushaltsdefizite der Staaten.“

Wirtschaftsausschuss-Vorsitzender Oswald forderte in der Wochenzeitung „Das Parlament“: „Eine solche Krise darf sich nicht wiederholen.“ Die wirtschafts- und finanzpolitische Koordinierung und die gegenseitige Überwachung in Europa müssten verbessert werden. Der CSU-Politiker lehnte es strikt ab, die Finanzprobleme Griechenlands mit einem Staatsbankrott zu lösen: Wer sich dafür ausspreche, dem Land die Hilfe zu versagen, „der gefährdet den Zusammenhalt der Europäischen Union und die Stabilität des Euro.“ Die negativen Ansteckungs- beziehungsweise Dominoeffekte auf andere Staaten der Eurozone und den Finanzsektor könnten schnell unübersehbare und politisch nicht mehr kontrollierbare Folgen haben.

Keine negativen Auswirkungen der Griechenland-Hilfen

Der ehemalige Generalsekretär der CDU, Peter Hintze, hat Befürchtungen zurückgewiesen, wonach die vom Bundestag beschlossene finanzielle Hilfe für Griechenland den Deutschen schaden könnte. „Gerade Menschen mit kleinem Einkommen will ich sagen, dass wir den Wert ihres Geldes, ihrer Spareinlage, ihrer Rente sichern, indem wir diesen Schritt tun“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium der Zeitschrift „Super Illu“. Hintze wies zudem darauf hin, dass Deutschland so stark von der Eurozone profitiere, „dass es ein Gebot der politischen Klugheit und eine moralische Verantwortung ist, dass wir Griechenland helfen“.

Hintze hatte im Mai 2000 als damaliger europapolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion vor der bevorstehenden Aufnahme Griechenlands in die Eurozone gewarnt und sie als „währungspolitisches Eigentor“ bezeichnet. „Dass ich vor zehn Jahren Recht gehabt habe, nützt heute nichts“, betonte der CDU-Politiker. Jetzt gehe es darum, den Euro und die Eurozone stabil zu halten. „Da ist Griechenland ein heilsamer Schock“, sagte Hintze und fügte hinzu: „Jedes Land will, dass der Euro stark bleibt und auch als Währung Schutz bietet.“ (afp/apn/ddp)