Berlin. .
Nach einer aufgeregten Debatte haben Bundestag und Bundesrat am Freitag den deutschen Beitrag zum Rettungspaket für Griechenland auf den Weg gebracht.
Das Dasein eines Hinterbänklers kann beneidenswert sein. In einer der letzten Reihen im Bundestag sitzt Peer Steinbrück, die Beine lässig übereinander geschlagen, und liest Zeitung. Bei seinem Anblick denkt man sich einen Tisch, eine Tasse Kaffee dazu und stellt sich ihn in einem Café vor. Nach einer Stunde schaut der frühere Finanzminister auf, legt seine Blätter beiseite und hört zu. Es wird anregend. In der Debatte um das Griechenland-Hilfspaket rollt sein Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) ans Pult, danach kommt SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, zwei aus der Premium-Klasse.
Die Zuschauer hatten zuvor einiges geboten bekommen: Eine verunglückte Rede vom CDU-Abgeordneten Norbert Barthle, Zwischenrufe, einen erregten Wortwechsel zwischen Linke und Grüne über eine Anti-IWF-Demo vor 27 Jahren, dazu der „Scheibenwischer“ Gabriels gegenüber einem FDP-Mann. Einmal spricht Norbert Lammert eine Rüge aus, ein andermal mahnt der Parlamentspräsident zu Sachlichkeit. Dann Schäubles Auftritt. Minimalismus pur. Zwei kleine Zettel mit Stichworten - mehr braucht er nicht. Schäuble beherrscht alle Tonlagen, von Scharfrichter bis pastoral.
Er spricht leise und wird doch gehört; auch daran zeigt sich Autorität, Respekt. Der Finanzminister sieht „keine bessere Alternative“ zum Milliardenpaket. Er gesteht seine Ungeduld darüber, dass die Regulierung der Banken so zäh vorankommt und fordert der SPD eine Antwort zur Stabilisierung des Euros ab: „Ja oder Nein“, ruft der Minister.
Kanzlerin Angela Merkel verfolgt eher missmutig die Debatte. Die letzten Tage setzten ihr zu, weil das Werben um einen Konsens mit der SPD vergeblich war. Sie wird im Verlauf der weiteren Diskussion zweimal lächeln. Einmal höhnisch, als Gabriel erklärt, dass die SPD-Leute sich enthalten werden; ein zweites Mal erfreut, als Vize-Kanzler Guido Westerwelle den Sozialdemokraten ein Angebot macht, sich doch zu einigen. „Springen Sie und stehen Sie zu ihrer Verantwortung“, ruft er der SPD zu und bietet an, in einer Entschließung den Entwurf des Internationalen Währungsfonds für eine Finanzmarktsteuer aufzunehmen. Noch am Vortag hatte er genau das verhindert. Nun springt der FDP-Chef über seinen Schatten. Was erntet er? Hohngelächter. Die SPD fürchtet ihn als Wahlkämpfer. Aber den ehrlichen Makler nimmt sie Guido Westerwelle nicht ab.
Gabriel legt Wert darauf, dass die SPD die Griechenland-Hilfe nicht ablehnt, aber gleichzeitig darauf pochen will, denen das Handwerk zu legen, „die sich Europa zur Beute machen“. Er meint die Spekulanten. Und ein eindeutiges Ja der SPD gibt es nur im Tausch gegen ein Bekenntnis der Regierung zu einer Finanzmarktsteuer. Zudem wirft er Merkel vor, sie habe sich als Eiserne Lady inszeniert. Auch schäme er sich „für das Bild, das hier seit Wochen über die Menschen in Griechenland gezeichnet wird.“ Hinten im Plenum klatscht Steinbrück.
Die Mehrheit steht
Am Lauf der Dinge ändert die Debatte nichts. Die Mehrheit steht, hier wie im Bundesrat, bevor das Gesetz mit zwei schlanken Paragraphen am Nachmittag Bundespräsident Horst Köhler zur Unterzeichnung gereicht wird.
„Wir haben eine anstrengende Woche hinter uns“, hatte zu Beginn der Christdemokrat Barthle die Kollegen erinnert. Jetzt ist das Bedürfnis groß, zum Ende zu kommen. Die Abgeordneten wollen weg, nach Hause, in den NRW-Wahlkampf oder, wie im Fall Merkels, zum EU-Gipfel. Das muss sich Steinbrück nicht mehr antun. Schon bei Westerwelles Rede war er gegangen. Der Hinterbänkler war so frei.