Berlin. .
In der SPD mehren sich die Stimmen, die eine Abkehr von der Rente mit 67 fordern. Auf der Suche nach Kompromissen vermeiden die Sozialdemokraten aber den offenen Streit.
Bevor die SPD-Führung am 22./23. August über den Zankapfel Rente mit 67 beraten wird, haben sich Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit gegenläufigen Wortmeldungen in die Debatte eingemischt. „Solange es uns nicht gelingt, tatsächlich den Anteil derjenigen zu erhöhen, die zwischen 60 und 64 Jahren arbeiten, können Sie die Rente mit 67 nicht einführen, weil es de facto nichts anderes ist als eine Rentenkürzung“, hatte Gabriel in der ARD gesagt. Und damit Forderungen der Parteilinken unterstützt, die - wie der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt - fordern, die ab 2012 gesetzlich festgelegte stufenweise Verschiebung des Renteneintrittsalters auf Eis zu legen.
Steinmeier hatte dagegen im Deutschlandfunk bekräftigt, dass er wegen der demographischen Entwicklung unverändert an der vom damaligen SPD-Chef Franz Müntefering forcierten Reform festhalten wolle, weil er von ihrer prinzipiellen Richtigkeit überzeugt sei.
Einen tiefgreifenden Disput an der Parteispitze will die SPD darin nicht erkennen. „Das ist kein Widerspruch. Gabriel schaut auf die kurzfristige Situation, Steinmeier betrachtet die langen Linien“, sagte ein Sprecher in Berlin.
Kompromissvorschlag von Scholz
Nach Informationen von DerWesten hat SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz für die anstehenden Beratungen einen Kompromissvorschlag erarbeitet. Er sieht vor, die Rente mit 67 solange auszusetzen, bis ein nennenswerter Anteil älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt Beschäftigung findet. Eine genaue Zahl wird nicht genannt.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) betonte am Montag auf Anfrage: „Wir brauchen flexiblere Übergänge.“ Nach seinen Überlegungen könnten ältere Arbeitnehmer nur noch drei Tage pro Woche arbeiten. Für die übrigen beiden Tage käme die Rentenkasse auf, sofern der Arbeitnehmer schon ein eigenes Rentenkonto aufgebaut hat. Dazu schweben Beck auch steuerliche Anreize vor, damit Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein solches Rentenkonto einführen.
Aus Becks Sicht gibt es nach wie vor nicht genügend Arbeitsangebote für Personen zwischen Mitte 50 und Mitte 60. Daher sei er für Übergangszeiten, wie Sigmar Gabriel sie vorgeschlagen habe. Von einem Konflikt zwischen Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der auf die Rente mit 67 pocht, wollte Beck nicht sprechen. „Aber es gibt sicher eine Diskussion und die ist notwendig“, schränkte Beck ein.
Auch Juso-Chef gegen Rente mit 67
Unterdessen hob Juso-Chef Vogt hervor, dass im Jahr 2008 lediglich zehn Prozent der 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen seien. Daraus folgert der SPD-Partei- und Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner: „Wenn es uns nicht gelingt, die Erwerbstätigenquote deutlich zu steigern, dass also Menschen über 60 auch eine faire Chance haben auf dem Arbeitsmarkt auf ordentlich bezahlte Arbeit, dann kann es die Rente mit 67 in dieser Form nicht geben.“
Unterdessen hat der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, vor einer Verschiebung der Rente mit 67 gewarnt. Die Erhöhung der Altersgrenze mit dem Hinweis auf eine niedrige Beschäftigungsquote der Älteren zu verschieben, sei nicht schlüssig, sagte Rürup der „Passauer Neuen Presse“. Zum einen sei die Beschäftigungsquote der Älteren in den vergangenen fünf Jahren nennenswert gestiegen. Zum anderen begünstige die demografische Entwicklung eine weitere Erhöhung. Rürup: „Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird in den nächsten Jahrzehnten deutlich schneller zurückgehen als die Gesamtbevölkerung.“