Berlin. .

Urlaub im politischen Berlin? Keine Spur. Dafür sorgen schon die alljährlichen Sommerinterviews. In der ARD durfte am Sonntag SPD-Chef Gabriel sein Parteiprogramm verkünden.

Zu einem gelungen Sommerinterview gehören traditionell ein mehr oder weniger gut gelaunter Politiker im sommerlichen Outfit – wenigstens die Ärmel sollten hochgekrempelt sein – und eine entspannte Atmosphäre in irgendeinem Garten mit viel Grün. Fehlen dürfen natürlich auch nicht ein oder mehrere Fragesteller, die es verstehen, dem sommerpausierenden Politikern mehr als ein paar Standardsätze herauszukitzeln. Beim ARD-Sommerinterview mit dem Bundesvorsitzenden der SPD, Sigmar Gabriel, war am frühen Sonntagabend irgendwie alles anders.

Der 50-jährige Gabriel präsentierte sich im schwarzen Anzug, weißen Hemd und mit einer orange-lachsfarbenen Krawatte. Keine hochgekrempelten Ärmel, an sommerliche Farben gar nicht zu denken. Sonderlich gut gelaunt oder gar entspannt wirkte der SPD-Vorsitzende auch nicht.

Trübselige Atmosphäre

Auch der Ort des Geschehens war nicht gerade auf Sommer getrimmt. Natürlich hätten die ARD-Moderatoren Ulrich Deppendorf und Rainald Becker auch mehr Glück haben können. Dann hätte die Sonne auf die Terrasse des Berliner Marie-Elisabeth-Lüders-Haus geschienen, dann wäre der Himmel über der Bundeshauptstadt blau gewesen und die Spree hätte im Hintergrund geglitzert. Stattdessen lag das Wasser bleischwarz vor dem grauen Reichstagsgebäude. Der graue Himmel war das I-Tüpfelchen auf dieser trübseligen Atmosphäre.

Einzige Lichtblicke waren die SPD-roten Sessel auf denen Gabriel, Deppendorf und Becker einen schnellen Ritt durch die bundespolitischen Themen hinlegten. Vom Afghanistan-Einsatz über Umfrageergebnisse, Bildungspolitik, Rente mit 67, Fachkräftemängel, Atomkraft und Wehrpflicht bis hin zur nachträglichen Sicherungsverwahrung streifte das Berliner Trio alle Themen nur kurz.

Schneller Ritt durch die Themen

Deppendorf und Becker gönnten Gabriel zu jeder Frage ein paar Sätze, in denen er einen kleinen Seitenhieb auf die aktuelle Bundesregierung loswerden und dann noch kurz das SPD-Parteiprogramm präsentieren konnte, bevor weitere Ausführungen abgewürgt wurden. Viel Zeit blieb in dem 20-minütigen Sommerinterview nicht für Neuheiten oder Hintergrundinformationen. Überraschend deutlich sprach sich Sigmar Gabriel im SPD-internen Streit gegen eine Rente mit 67 aus. Wenn jedoch so etwas wie ein Gespräch aufkam, drängte die beiden ARD-Journalisten anscheinend die Zeit, so dass schnell wieder eine der Zuschauerfragen von Potsdamer Bürger eingeblendet werden musste.

Einzige Neuigkeit im Sommerinterview mit dem ehemaligen Bundesumweltminister, die den Zuschauer stutzig machen konnte: Klimapolitik ist laut Gabriel ein Wohlfühl-Thema, um das sich bisher vor allem nur die Grünen gekümmert haben. Während sich die SPD hingegen eher den „harten“ Themen wie Haushalt, Wirtschaft und Finanzen widmet. Eine denkwürdige Aussage, die er bei der nächsten Frage gleich noch einmal wiederholen durfte.

Insgesamt bleibt vom ARD-Sommerinterview ein fader Eindruck: Obwohl Sigmar Gabriel gut vorbereitet wirkte und im Kampf gegen die Uhrzeiger mit Zahlen und Statistiken jonglierte, hätte man es sich auch getrost mit dem SPD-Parteiprogramm auf der eigenen Terrasse bequem machen können. Verpasst hätte man sicherlich nichts.