Berlin/Kabul. .
Bald könnte die Bundeswehr schwere Artillerie-Geschütze in Afghanistan einsetzen. Der neue Generalinspekteur schließt die Maßnahme nicht mehr aus. Derweil fordert die FDP mehr Rechtssicherheit für die Bundeswehr in Afghanistan - die heutige Rechtslage sei eine Zumutung.
Der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, schließt den Einsatz schwerer Artillerie-Geschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000 in Nordafghanistan nicht mehr aus. „Ich verlasse mich auf den Rat der Kommandeure vor Ort“, sagte Wieker der Zeitung „Bild“ vom Donnerstag. „Wenn man dort zu der Einschätzung gelangt, dass das notwendig und hilfreich ist, werden wir uns dem nicht verwehren.“ Wieker ist seit Januar Generalinspekteur und damit der oberste Soldat der Bundeswehr.
„Wir wollen die Menschen beschützen und nicht verschrecken.“
Die Forderung nach dem Einsatz von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 wies Wieker hingegen zurück. Diese Art der Abschreckung wirke in Afghanistan nicht, argumentierte er. „Die Taliban tauchen weg vor Übermacht und bestimmen Ort und Zeit, um zu kämpfen“, sagte Wieker dem Blatt. „Außerdem müssen wir uns fragen, wie wir auf die Bevölkerung wirken, wenn wir mit Panzern anrücken. Wir wollen die Menschen beschützen und nicht verschrecken.“ Den Einsatz von Leopard-Panzern in Afghanistan hatte der designierte Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmuth Königshaus (FDP), gefordert.
Auch der CDU-Verteidigungsexperte Karl A. Lamers lehnte den Einsatz von schweren Kampfpanzern in Afghanistan ab. „Das Gelände in Afghanistan ist für diese Waffe, die in der Fläche operiert, nicht geeignet“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses dem „Mannheimer Morgen“ laut Vorabbericht. Die von Königshaus geforderten Leopard-2-Panzer könnten nicht zielgenau operieren. Ihr Einsatz würde zu schweren Verlusten in der Zivilbevölkerung führen. „Gerade nach den tragischen Ereignissen von Kundus wäre das verheerend“, sagte Lamers.
Der Tod von drei deutschen Soldaten bei Gefechten nahe Kundus hatte in den vergangenen Tagen die Debatte um Ausrüstungs- und Ausbildungsmängel der Bundeswehr neu entfacht.
FDP fordert mehr Rechtssicherheit für Bundeswehr in Afghanistan
Angesichts der brisanten Sicherheitslage in Afghanistan fordert der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, mehr Rechtssicherheit für die Bundeswehrsoldaten. „Die heutige Rechtslage ist eine Zumutung für die deutschen Soldaten, die in Afghanistan unter Feuer stehen“, sagte van Essen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ laut Vorabbericht. Sie seien massiv verunsichert, weil sie in jedes Gefecht mit der Furcht vor dem Staatsanwalt in Deutschland gingen.
„Die Soldaten erwarten völlig zu Recht, dass Richter und Staatsanwälte mit hinlänglichem Spezialwissen und Kenntnis der Bedingungen im Einsatzland etwaige Vorwürfe beurteilen“, betonte van Essen. „Wir brauchen angesichts der prekären Lage am Hindukusch dringender denn je eine zentral zuständige Staatsanwaltschaft und Gerichtsbarkeit für Auslandseinsätze.“ Die Bundesregierung arbeite mit „Hochdruck“ an deren Aufbau.
Rechtliche Klarstellungen im Mandat der Bundeswehr für den Afghanistaneinsatz hält der FDP-Politiker hingegen nicht für notwendig. „Die Bundesregierung hat eine eindeutige rechtliche Qualifizierung des Einsatzes als nichtinternationalen, bewaffneten Konflikt bereits vorgenommen“, referierte er. Damit habe sie klargestellt, dass aus ihrer Sicht für die Soldaten das günstigere Völkerstrafrecht anwendbar sei. Das sei für die Justiz zwar nicht bindend, aber ein wichtiger Hinweis.
Taliban verbreiten erneut Video von verschlepptem US-Soldaten
Die radikalislamischen Taliban haben erneut Videoaufnahmen eines im vergangenen Sommer in Afghanistan verschleppten US-Soldaten veröffentlicht. In dem fast achtminütigen Video ist der Soldat Bowe Bergdahl mit Bart und einer Armeejacke zu sehen, wie das auf die Beobachtung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmens IntelCenter am Donnerstag mitteilte. Er liest demnach Zeitung und macht Liegestützen. Anschließend fordert Talibansprecher Sabihullah Madschahid die Freilassung mehrerer Häftlinge im Austausch für den US-Soldaten. Bislang sei die „arrogante“ US-Führung nicht bereit, derartige Schritte zu unternehmen.
Bowe war Ende Juni auf einer Patrouille im Osten Afghanistans verschleppt worden. Die Taliban haben seitdem bereits zwei Videos von dem jungen Gefreiten veröffentlicht. Er ist der erste US-Soldat, der seit dem Einmarsch der US-Truppen in Afghanistan 2001 verschleppt wurde. (afp/ddp)