Berlin. .
Kurz vor ihrer Türkei-Reise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan in die Schranken gewiesen. Sie will, dass türkische Kinder deutsche Schulen besuchen. Auch von Deutschtürken bekommt Erdogan für seinen Vorschlag massiv Gegenwind.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt die Forderung des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, türkische Gymnasien in Deutschland einzurichten, ab. „Das führt aus meiner Sicht nicht weiter, denn grundsätzlich sollten türkischstämmige Kinder und Jugendliche bei uns in deutsche Schulen gehen. Von der Vorstellung, dass alle türkischen Schüler hier auf ein türkisches Gymnasium gehen sollen, halte ich nichts“, sagte Merkel der „Passauer Neuen Presse“ (Freitagausgabe).
Vor ihrer Türkei-Reise Anfang kommender Woche reagierte die Kanzlerin zurückhaltend auf erneute Forderungen Erdogans nach einer Vollmitgliedschaft seines Landes in der Europäischen Union. „Meine Vorstellung ist unverändert eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei“, sagte Merkel. Beim Thema EU-Mitgliedschaft seien Erdogan und sie bereits seit langem unterschiedlicher Meinung. „Dennoch gilt für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, dass Verträge einzuhalten sind. In diesem Sinne führt die EU seit Jahren ergebnisoffene Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei“, erklärte die Kanzlerin.
Kritik von Deutschtürken
Auch bei Deutschtürken stößt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien in Deutschland zur Sprachförderung auf Kritik. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Serkan Tören bezweifelt, dass Erdogan den deutschen Türken einen Dienst erweist: „Vielmehr müssen wir Kinder aus Familien, in denen Türkisch gesprochen wird, viel früher an die deutsche Sprache heranführen“, sagte er der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.
Die Hamburger SPD-Parlamentarierin Aydan Özoguz sagte, der Ruf nach türkischen Privatschulen sei legitim, „allerdings ist bei solchen Elitegymnasien nicht davon auszugehen, dass sie Integrationsprobleme lösen“. Auch die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz bezweifelt den Nutzen türkischer Gymnasien zur Sprachförderung: „Türkische Migrantenkinder, die die Gymnasialreife erlangen, haben keine Sprachprobleme“, sagte sie. Das Hauptproblem liege vielmehr bei den rund 20 Prozent, die die Schule ohne Abschluss verließen.
Auch die türkische Gemeinde Niedersachsen hält nichts von dem Vorstoß Erdogans: „Ich kann diesen Quatsch nicht mehr hören“, sagte der Vorsitzende Alptekin Kirci der Zeitung zufolge. „Erdogan soll sich lieber um die Probleme in der Türkei kümmern.“
Deutsche Sprache im Mittelpunkt
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele griff Erdogan wegen seiner Äußerungen scharf an. „Mir gefällt der nationale Ton überhaupt nicht“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“. „Ich fürchte, dass es innenpolitische Gründe sind, um für die türkische Community in Deutschland auf dem nationalen Instrument zu spielen. Das halte ich nicht für gut und richtig.“ Migranten könnten in Deutschland überhaupt nur „am Leben teilnehmen und vorankommen“, wenn sie die deutsche Sprache beherrschten.
Erdogans Argumentation, nur wer seine Muttersprache perfekt beherrsche, könne auch Deutsch lernen, sei zwar richtig, sagte Ströbele. „Aber in Deutschland sollte man die deutschen Kulturtechniken beherrschen und vor allem die deutsche Sprache. Eine Schule ohne deutsche Sprache oder eine, in der die deutsche Sprache nicht gleichwertig neben der türkischen steht, fördert eine Separierung deutscher von türkischen Schülern, sie ist nicht der richtige Weg.“
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Krauss, hat sich ebenfalls massiv gegen den Vorstoß von Ankaras Premier Erdogan gewandt. Kraus sagte der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe): „Das ist inakzeptabel und anti-integrativ zu Lasten der hier lebenden jungen Türken.“ Der Lehrerverbands-Chef warf Erdogan islamische Expansionsbestrebungen vor und forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich beim Besuch in Ankara in der kommenden Woche entschieden türkische Einmischungen in deutsche Angelegenheiten zu verbitten.
Der Lehrerverband sei nicht dagegen, dass Türkisch als zweite oder dritte Fremdsprache an deutschen Gymnasien gefördert werde, um die Sprachkompetenz der jungen Türken zu stärken. Aber klar sei, dass Deutschland von hier lebenden Türken, bei aller Rücksicht auf kulturelle Herkunft, nicht nur Integration, sondern auch Assimilation verlangen müsse. (afp/ddp)