Berlin/Rom. .

Die meisten Deutschen werfen der Katholischen Kirche mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe vor. Heute informiert Erzbischof Zollitsch Papst Benedikt über die Vorfälle. „Wir sind Kirche“ fordert vom Papst neue Maßnahmen im Kampf gegen die Übergriffe.

Die Katholische Kirche unternimmt nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der Bundesbürger zu wenig bei der Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe: 86 Prozent werfen der Kirchenführung mangelnde Bereitschaft dazu vor; nur 10 Prozent sehen ausreichendes Handeln, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid unter rund 1.000 Personen für den Nachrichtensender N24 ergab.

Das Bekanntwerden dieser Fälle schmälert zudem das Vertrauen der Menschen in die Bildungsarbeit der Katholischen Kirche: 68 Prozent sehen diese nun kritischer, 28 Prozent vertrauen der katholischen Bildungs- und Jugendarbeit weiterhin uneingeschränkt

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, informiert am heutigen Freitag Papst Benedikt XVI. über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Die Audienz war für den Vormittag geplant, eine genaue Uhrzeit stand laut Bischofskonferenz-Sprecher Matthias Kopp nicht fest. Am Mittag wollte Zollitsch auf einer Pressekonferenz in Rom über die Ergebnisse des Gesprächs informieren.

Bei dem Besuch in Rom handelt es sich eigentlich um einen Routinebesuch, bei dem Zollitsch das Kirchenoberhaupt über die Ergebnisse der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz informieren soll. Das Thema Missbrauch steht dabei jedoch angesichts der zahlreichen aufgedeckten Fälle in katholischen Einrichtungen im Mittelpunkt

Hamburger Weihbischof begrüßt Aufarbeitung der Kirche

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hat die Bemühungen der Politik um eine Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche begrüßt. „Wir sehen ja, dass die Missbrauchsfälle vielfältig sind“, sagte Jaschke am Freitag im Deutschlandfunk. Nach den bekanntgewordenen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche plädierte Jaschke für eine konsequente Aufklärung. Es müsse auch über die Verjährungsfragen gesprochen werden. Skeptisch zeigte er sich jedoch hinsichtlich einer möglichen materiellen Entschädigung. Jetzt komme es vor allem darauf an, Vertrauen zurückzugewinnen. Die Menschen müssten merken, dass die Kirche nichts vertuschen wolle.

Jaschke wies die Vorwürfe zurück, die Missbrauchsfälle seien Folge des Zölibats. „Wir wissen, dass der Zölibat als solcher nicht die Ursache ist. Natürlich nicht.“ Er räumte jedoch ein, dass die zölibatäre Lebensform Menschen anziehen könne, die eine „krankhafte Sexualität“ hätten. Er wolle den Zölibat jedoch nicht „preisgeben“, es handle sich auch um eine Form der Unabhängigkeit.

Papst soll Maßnahmen gegen Missbrauch ergreifen

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ kritisierte unterdessen eine „insgesamt sehr problematische Einstellung der katholischen Kirche zur Sexualität“. Der Sprecher der Reformer, Christian Weisner, verlangte von Papst Benedikt XVI. grundsätzliche Entscheidungen, um den Missbrauch zu bekämpfen. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte er, der Papst müsse einsehen, dass die Kirche ein „globales Problem“ habe, das wesentlich in ihrer Haltung zur Sexualität und zu den Geschlechterrollen begründet sei. Es genüge nicht, die Bischöfe einzelner Länder einzubestellen, „wenn es da gerade brennt“, sagte Wiesner mit Blick auf die Papst-Audienz. (ddp/ap)