Oder-Hambach. .

Der Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim weitet sich aus. Inzwischen haben offenbar 33 ehemalige Schüler Vorwürfe erhoben, acht frühere Lehrer werden beschuldigt. Der Druck auf den ehemaligen Rektor wächst.

Die Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim beschuldigt inzwischen acht ehemalige Lehrer des sexuellen Missbrauchs von Schülern in den Jahren vor 1993. Seit am Samstag das Ausmaß der Vergehen bekanntwurde, hätten sich 33 ehemalige Schüler bei der jetzigen Schulleitung gemeldet und über Missbrauch am eigenen Leib berichtet, sagte die Direktorin der Odenwaldschule, Margerita Kaufmann, am Donnerstag in Heppenheim/Ober-Hambach. Die Zahl der beschuldigten Lehrer habe sich seit Wochenbeginn von drei auf acht erhöht.

Wir sind beschämt, was in unserer Schule jungen Menschen angetan worden ist“, sagte Kaufmann unter Tränen: „Die Odenwaldschule hat große Schuld auf sich geladen und nichts wird diese Schuld von ihr nehmen.“ So liege inzwischen der Bericht einer Frau vor, die als zehnjähriges Mädchen von ihrem Musiklehrer missbraucht worden sei. Ein früherer Schüler werfe dem ehemaligen Schulleiter Gerold B. vor, dieser habe sich in seinem Schlafzimmer an ihm vergang

Ehemaliger Direktor sei Hinweisen nicht nachgegangen

Die Odenwaldschule in Ober-Hambach bei Heppenheim.
Die Odenwaldschule in Ober-Hambach bei Heppenheim. © APN

Zwei der fraglichen acht Lehrer seien inzwischen tot, sagte Kaufmann. Die übrigen Beschuldigten seien der Staatsanwaltschaft gemeldet worden und erhielten in der Schule Hausverbot. War die Odenwaldschule zunächst davon ausgegangen, es sei lediglich in der Amtszeit von Gerold B. zwischen 1970 und 1985 zu sexuellen Übergriffen auf Schüler gekommen, so wird inzwischen von einem deutlich längeren Zeitraum ausgegangen. Einige der beschuldigten Lehrer seien bereits ab 1966 an der Schule tätig gewesen, sagte die Schulleiterin. Der letzte der fraglichen Pädagogen habe das Internat 2003 (richtig!) verlassen.

Die Direktorin griff in einer Pressekonferenz auch den früheren Schulleiter Wolfgang H. an. Dieser sei von einer Mitarbeiterin darauf aufmerksam gemacht worden, dass sein Vorgänger Gerold B. die Nacht mit einem Schüler verbracht habe. Der Schulleiter habe auf diesen Hinweis hin aber nichts unternommen und damit einen Täter aktiv geschützt. Ehemalige Schüler der Odenwaldschule hatten Wolfgang H. bereits vor mehr als zehn Jahren in der Presse vorgeworfen, die Aufklärung der Vorgänge an der Einrichtung verhindert zu haben.

Schüler sollen künftig besser geschützt werden

Kaufmann kündigte an, die Schulleitung werde in den kommenden Wochen nun auch die ehemaligen Schüler anschreiben, die an der Odenwaldschule vor 1970 und nach 1985 gewesen seien. Auf die erste Tranche von 900 Briefen an ehemalige Schüler habe die Schule eine Flut von Briefen, E-Mails und Anrufen bekommen: „Was wir gelesen haben, hat uns verstummen lassen.“

Die Schulleiterin kündigte eine Initiative an, um Jungen und Mädchen an der Odenwaldschule künftig wirksam vor sexueller Gewalt zu schützen: „Wir wollen uns auf den Weg machen, das sicherste Internat in Deutschland zu werden.“ So sollen alle Lehrer künftig schon bei der Einstellung einen Ethikkodex unterschreiben müssen. Zudem wolle die Schule eine anonyme Umfrage unter den heutigen Schülern durchführen, um eventuelle Fälle von sexuellem Missbrauch aufzudecken.

Neue Verdachtsfälle in Baden und Sachsen

Auch am Internat der Evangelischen Kirche in Baden in Gaienhofen hat es sexuelle Übergriffe auf Schüler gegeben. Wie die Landeskirche mitteilte, wurden nach derzeitigem Kenntnisstand insgesamt fünf Heimerzieher und Lehrkräfte seit Anfang der 60er Jahre entlassen, weil ihnen sexueller Missbrauch oder Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen wurde. In zwei Fällen hätten Betroffene Anzeige erstattet.

Weitere Hinweise auf sexuellen Missbrauch gibt es in einem Heim für Kinder und Jugendliche im sächsischen Eilenburg. Wie die „Leipziger Volkszeitung“ berichtet, melden sich immer mehr Betroffene. Eine ehemalige Bewohnerin, die Ende der 60er Jahre in dem Heim lebte, gab demnach an, dass Kinder nackt durchs Treppenhaus laufen mussten. Erzieher hätten ihnen zwischen die Beine und an die Brüste gefasst. Bereits zuvor hatte sich bei der Zeitung ein ehemaliger Bewohner gemeldet, der von täglichen sexuellen Übergriffen zwischen 1970 und 1980 berichtete. (apn/ddp)