Düsseldorf. .
Die Mitglieder der Sauerland-Gruppe sind verurteilt, doch der zuständige Richter Ottmar Breidling sieht die Terrorgefahr längst nicht gebannt. Im Gegenteil: Die Aussagen der Täter zeigen, dass sich immer mehr junge Europäer dem gewaltbereiten Islamismus zuwenden.
Das Phänomen sorgt für Entsetzen in Deutschland, aber auch in Großbritannien oder den USA: Westliche Jugendliche lassen sich von islamistischen Hasspredigern verführen und weihen ihr Leben dem Heiligen Krieg. Sie ziehen in den Kampf nach Afghanistan oder planen Bombenanschläge im Heimatland.
Spätestens mit dem Urteilsspruch im Prozess gegen die Sauerland-Terroristen ist dieses Problem nun auch endgültig in Deutschland angekommen. Denn zwei der vier am Donnerstag zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Islamisten stammen aus „normalen“ deutschen Familien.
150 US-Soldaten sollten sterben
Dennoch planten Fritz Gelowicz und Daniel Schneider im Namen des Islams den größten Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Ihre Autobomben sollten eine Sprengkraft von 410 Tonnen TNT entwickeln. Mindestens 150 Angehörige der US-Streitkräfte sollten sterben.
„Einen Anschlag von einem solchen Ausmaß hat es in Deutschland noch nie gegeben und auch nicht die Verabredung zu einem solchen Anschlag“, machte der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling in seiner Urteilsbegründung das Ausmaß der Terrorpläne deutlich. In den Köpfen der Angeklagten habe die Idee eines „zweiten 11. September“ herumgespukt.
„Eine verheerende Anziehungskraft“
Doch woher kommt solcher Hass? Wie verläuft der Weg vom „normalen Jugendlichen“ zum „Dschihad-Krieger“? Dank der umfassenden Geständnisse der Angeklagten gewann das Gericht einen außergewöhnlich breiten und tiefen Einblick in die Abläufe und Zusammenhänge. Das Fazit von Breitling: „Ganz offenbar hat der gewaltbereite Islamismus zunehmend auch auf junge Menschen in unserer Gesellschaft eine verheerende Anziehungskraft.“
Gerade Jugendlichen, die in ihren Familien und ihrem engsten Umfeld nicht die erforderliche Aufmerksamkeit fänden und nach einem Lebenssinn suchten, seien ein leichtes Opfer für „Hassprediger, wie sie zunehmend auch in unserem Land ihr Unwesen treiben“, betonte der Richter.
Gräuel von Abu Ghraib als Auslöser
Der heute 30-jährige Fritz Gelowicz konvertierte bereits 1995 zum Islam. Doch erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begann er, sich verstärkt mit dem bewaffneten Dschihad zu befassen. Er lauschte den islamistischen Tiraden von Scheich Abu Omar im Kulturhaus in Neu-Ulm und geriet offenbar immer tiefer in den Bann des Predigers. Im Jahr 2006 absolvierte er dann eine ideologische und paramilitärische Schulung in einem Ausbildungslager der Islamischen Jihad Union (IJU) und kehrte mit dem Auftrag zurück in seinem Heimatland, Sprengstoffanschläge vornehmlich gegen amerikanische Ziele zu begehen.
Der heute 24-jährige Daniel Schneider fand im Jahr 2004 über Freunde zum Islam. Ende 2005 entschloss er sich aufgrund von Medienberichten über die Gräueltaten im Gefängnis Abu Ghraib im Irak zur Teilnahme am bewaffneten Kampf. Auch er durchlief das Ausbildungslager der IJU und war danach zum Töten bereit.
Lückenhafteste Kenntnisse des Islam
Das Verfahren habe mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, „zu welchen Taten hasserfüllte, verblendete und von verqueren Dschihad-Ideen verführte junge Menschen bereit und in der Lage sind“, sagte Breidling. Dabei hätten den Extremisten lückenhafteste Kenntnisse des Islams gereicht, um sich zu Todesengeln zu erheben und ohne Skrupel, ja mit höchster Begeisterung Hunderte Menschen im Namen ihrer Religion als Ungläubige und als Feinde des Islam zu töten.
Doch ist für den Richter der Fall der vier Sauerland-Terroristen nur die Spitze des Eisbergs. „Es gibt ganz offenbar zahlreiche verführbare oder schon verführte und verblendete junge Männer, die ihr bisheriges Leben hinter sich lassen und sich in den Dschihad begeben, als auf den Weg zu Töten, ja viele sogar mit dem Wunsch, ihr eigenes Leben für ihre wirren Dschihad-Ideen zu opfern.“ Der weltweite islamistische Terrorismus sei die „Geißel unserer Zeit“, meinte Breidling. (apn)