Frankfurt/Main. .

Bundeskanzlerin Angela Merkel knöpft sich ihren Vize Guido Westerwelle jetzt auch inhaltlich vor. In einem Zeitungsbeitrag rüffelt sie Westerwelle für seine Art der Sozialstaatsdebatte. Er habe die Diskussion darüber nur unnötig erschwert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihrem Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) vorgeworfen, die Debatte über die Reform des Sozialstaats unnötig erschwert zu haben. Westerwelle habe seine Kritik an „Hartz IV“ so formuliert, als bräche er ein Tabu, habe dabei aber inhaltlich nur Selbstverständliches ausgesprochen, sagte Merkel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstagausgabe).

“Für alle Mitglieder der Bundesregierung ist es selbstverständlich, dass jemand, der arbeitet, mehr bekommen muss, als jemand, der nicht arbeitet. Dazu herrscht große Übereinstimmung, bis in die Oppositionsparteien hinein“, betonte Merkel: „Bestimmte Formulierungen“ bei Westerwelle ließen jedoch den Eindruck entstehen, „es werde etwas ausgesprochen, was nicht selbstverständlich sei, als gebe es also ein Tabu. „Das trifft ja gerade bei der Umsetzung des Hartz IV-Urteils und beim sogenannten Lohnabstandsgebot nicht zu“, sagte die Kanzlerin.

Merkel lehnt verschärfte Sanktionen ab

Die von Westerwelle geforderte Verschärfung von Sanktionen bei Missbrauch von „Hartz IV“-Leistungen lehnte die Kanzlerin ab. Die deutsche Rechtslage zu den Sanktionsmöglichkeiten bei Pflichtverletzungen von Leistungsempfängern zähle „schon heute zu den strengsten in der EU“, sagte sie.

Änderungen an den Hartz IV-Regelungen solle es gleichwohl geben, so sollten die Zuverdienstmöglichkeiten vereinfacht werden. Die Koalition sei sich einig darin, „dass die Anreize für Hartz IV-Empfänger, zur Aufnahme einer Beschäftigung noch verbessert werden können“, sagte die Bundeskanzlerin. „Wir werden das in einer kompakten Gesetzesinitiative ändern.“

Kanzlerin schließt Mehrkosten nicht aus

Weitere Änderungen beträfen die Neuordnung der Job-Center, die Neuregelung der Regelsätze sowie „die gemeinsam beschlossene Änderung der Erhöhung des Schonvermögens, weil Union wie FDP der Meinung sind, dass Eigeninitiative zur Altersvorsorge nicht bestraft werden sollte“. Einsparmöglichkeiten gebe es bei „Hartz IV“ nicht, betonte die Kanzlerin. Mehrausgaben könnten aus ihrer Sicht folgen, weil die Regelsätze für Kinder verändert werden müssten. „Für Kinder müssen die Sätze völlig eigenständig und nicht wie bisher als bloßer Prozentsatz der Erwachsenen-Sätze errechnet werden“, sagte die Kanzlerin.

Insgesamt sieht Merkel keinen Anlass für eine „geistig-politische Wende“, wie sie der FDP-Vorsitzende gefordert hat, und hält eine grundsätzliche Reform des Sozialstaats nicht für notwendig. „Alles in allem“ hätten die Deutschen „einen leistungsfähigen Sozialstaat, der dem Einzelnen Sicherheit und Halt gibt und dem Land seit Jahrzehnten Stabilität“. (ddp)