Berlin. .

Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle verteidigt die gezielte Tötung von Aufständnischen in Afghanistan. „Diesbezüglich geht es nicht um Legitimität sondern um Legalität.“

Erstmals hat Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) am Mittwoch die Sitzung des Bundeskabinetts geleitet. Da Kanzlerin Merkel im Urlaub weilt, nahm der Außenminister in Berlin für knapp 20 Minuten das Zepter in die Hand. „Ich saß geografisch an der selben Stelle“, so Westerwelle. Die Ergebnisse der Beratungen wollte Westerwelle bei einer anschließenden Pressekonferenz vorstellen.

Westerwelle hat die gezielte Tötung von Aufständischen im Afghanistan-Krieg verteidigt. Die Rechtslage sei hier eindeutig sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. „Diesbezüglich geht es nicht um Legitimität sondern um Legalität. Wir müssen wissen, dass Kämpfer in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten gezielt bekämpft werden können und dürfen“, sagte der Vizekanzler. Er habe als erster Politiker auf diese Qualifizierung des Afghanistan-Einsatzes hingewiesen, betonte Westerwelle. „Ob es uns gefällt oder nicht, so ist die Lage“, fügte er hinzu. Es gehe darum, die Sicherheit des Landes und die der deutschen Soldaten zu schützen.

In der vergangenen Woche hatte bereits das Verteidigungsministerium erklärt, die gezielte Tötung von Gegnern sei nach dem Regelwerk der Nato für den Einsatz der internationalen Schutztruppe Isaf vorgesehen. Allerdings beteiligten sich deutsche Soldaten nicht daran.

Westerwelle weist Forderungen nach deutlich höheren „Hartz-IV“-Regelsätzen zurück. Hier dürfe das Lohnabstandsgebot nicht ignoriert werden, sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. „Es muss so sein, dass sich ordentliche Arbeit auch ganz persönlich wirklich lohnt“, sagte er. Auch die Rente sei ein Ergebnis von lebenslangem Arbeiten und „kein Almosen“.

Den Vorstoß seines Parteikollegen, FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, zur Abschaffung der Rentengarantie wollte sich Westerwelle nicht direkt äußern. „Praktisch steht die Frage derzeit überhaupt nicht“, sagte er. Schließlich dürfte es in den kommenden Jahren immer Einkommenszuwächse geben. Brüderle hatte vorgeschlagen, die 2009 unter Schwarz-Rot eingeführte Rentengarantie wieder abzuschaffen, und die Rentenentwicklung wieder an die Reallohnentwicklung zu koppeln.

In Sachen schwarz-gelber Koalition blickte Westerwelle zuversichtlich in die Zukunft. Nach einigen „Anfangsschwierigkeiten“ könne man jetzt für die kommenden Jahre „sehr optimistisch“ sein, sagte Westerwelle vor Journalisten. Er warnte zugleich davor, die schlechten Umfragewerte der Koalition überzubewerten. Es sei normal, dass sich unpopuläre Entscheidungen der Koalition aus Union und FDP demoskopisch auswirkten. „Ich rate jedem zu einer gewissen gesunden Distanz“, sagte der FDP-Chef und fügte hinzu, wenn die Ergebnisse des Regierungshandelns für die Bürger „greifbarer“ werden, würden sich auch die Umfragewerte wieder verbessern.

Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern

Weiter verteidigte der Außenminister das Vorhaben der schwarz-gelben Koalition, die Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke deutlich zu verlängern. Das Zeitalter der regenerativen Energien könne nur mit der Atomkraft als „Brückentechnologie“ erreicht werden, sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. Zu diesem Brückenschlag gehöre aber auch, veraltete Kohlekraftwerke durch neue, umweltfreundlichere zu ersetzen.

Westerwelle verwahrte sich zugleich dagegen, jede Debatte in der Koalition gleich zu einem Streit zwischen Union und den Liberalen hochzuschreiben. Hier gehe es wie bei der Bildung um prinzipielle Fragen, zu denen eine breite gesellschaftliche Debatte „hinnehmbar und wünschenswert“ sei. Im Übrigen habe sich die Lage für Deutschland seit Amtsantritt von Schwarz-Gelb gebessert. Daher sei es angebracht, eine „positive Zwischenbilanz“ zu ziehen.

Westerwelle stärkt Justizministerin den Rücken

Im Streit um die Neuregelung der Sicherungsverwahrung hat Westerwelle Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Rückendeckung gegeben. An der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unzulässig sei, führe kein Weg vorbei, sagte der FDP-Vorsitzende am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Berlin.

Natürlich müsse man verhindern, dass gemeingefährliche Täter nach ihrer Haftentlassung ihr Unwesen weiter treiben können. Dies sei aber nur über rechtssichere Entscheidungen zu erreichen. „Praktische Sicherheit und Rechtssicherheit sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille“, betonte der FDP-Chef.

Beides müsse in Einklang gebracht werden. Er sei sicher, dass dies auch gelinge. Leutheusser-Schnarrenberger argumentiere in dieser Frage „sehr klug“. Die FDP-Politikerin hat vorgeschlagen, gefährliche Straftäter nach der Haftentlassung zum Beispiel mit elektronischen Fußfesseln zu überwachen, die Union hält dies aber für nicht ausreichend. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat nun vorgeschlagen, eine spezielle Sicherungseinrichtung für gefährliche Straftäter zu schaffen, die keine Haftstrafe mehr zu verbüßen haben.

„Meine Wortwahl wäre das nicht“

Zurückhaltend äußerte sich der Außenminister über die jüngsten Leitlinien des neuen Oberbefehlshabers in Afghanistan, US-General David Petraeus. „Meine Wortwahl wäre das nicht“, sagte der Vizekanzler auf die Frage, ob die Leitlinien auch bindend für die Bundeswehr seien. Westerwelle betonte, es gelte die politische Strategie der Bundesregierung, derzufolge dem Land eine wirtschaftliche und soziale Perspektive gegeben werden müsse.

Militärische Fragen wolle er nicht erörtern, fügte er hinzu. „Sollte diese Wortwahl verwendet worden sein, so kann ich Ihnen sagen, dies ist nicht meine Wortwahl“, sagte der Außenminister. Die Frage hatte sich auf einen Passus bezogen, der sinngemäß übersetzt heißt: „Verbeißt Euch in die Aufständischen und lasst sie nicht wieder los. (Get your teeth into the insurgents and don“t let go).“

Westerwelle nahm allerdings nicht die Erklärung des stellvertretenden Regierungssprechers Christoph Steegmans vom Montag wieder auf, der dieses Zitat in den größeren Zusammenhang des Schutzes der Zivilbevölkerung gestellt hatte. Petraeus hatte sehr stark darauf abgehoben, dass die Zivilbevölkerung unter allen Umständen geschont und geschützt werden müsse und dem Feind, den Aufständischen, nicht die Möglichkeit zur Aufwiegelung gegeben werden dürfe. Diese Strategie hatte Steegmans in Namen der Bundesregierung ausdrücklich gelobt. (ddp/rtr/apn)