Berlin. .
Weil sie in den Bergen urlaubt, ist Kanzlerin Merkel bei der heutigen Kabinettssitzung allgemein verhindert. Deshalb leitet ihr Vize Guido Westerwelle die Runde - und muss sich auch noch als Pressesprecher üben.
Franz Müntefering hat es schon getan. Frank-Walter Steinmeier auch. Zu Zeiten der Großen Koalition nahmen die sozialdemokratischen Vizekanzler einen kurzen Vormittag lang auf dem Sessel der Chefin Platz. Warum? „Ist der Bundeskanzler an der Wahrnehmung der Geschäfte allgemein verhindert, so vertritt ihn der gemäß Artikel 69 des Grundgesetzes zu seinem Stellvertreter ernannte Bundesminister“, heißt es in der Geschäftsordnung der Bundesregierung.
Damals wie heute ist Angela Merkel eindeutig allgemein verhindert, weil sie in den Bergen urlaubt. Deshalb leitet am Mittwoch Außenminister, Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle die Sitzung des Kabinetts. So weit, so unspektakulär. Und doch ist etwas neu. Im Falle von Müntefering war es dem damaligen Regierungssprecher Thomas Steg vergönnt, die Arbeitsresultate der Ministerrunde vor der Bundespressekonferenz zu erläutern. Bei Steinmeier erledigte den Job gewohnt routiniert der just ausgeschiedene Ulrich Wilhelm.
Neuer Start-Termin für „geistig-politische Wende“?
Heute Mittag jedoch wird Guido Westerwelle sozusagen in eigener Sache sprechen. „Ergebnisse der Kabinettssitzung und aktuelle Themen“ lautet die Überschrift der Pressekonferenz. Auskunftgeber: Guido Westerwelle.
Weil auf der Tagesordnung viel Leichtgewichtiges steht, etwa das Thema „Begleitetes Fahren ab 17“, rechnen manche Beobachter wahlweise mit einem kleinen liberalen Überraschungs-Ei, einem der typisch westerwell’schen Rechenschaftsberichte oder wenigstens dem neuen Start-Termin für die angekündigte, aber dann doch wieder in Vergessenheit geratene „geistig-politische Wende“.
Danach verabschiedet sich der Mann in den Urlaub. Wer weiß, vielleicht stellt vorher wieder ein Journalist die Frage, ob Merkel im Kabinett vermisst worden sei. Der frühere Regierungssprecher Steg hatte seinerzeit diese Antwort parat: „Ihr guter Geist war in jeder Sekunde spürbar.“