Paris. .

Die Imagewerte des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy sind miserabel. Jetzt buhlt der Präsident um Stimmen am rechten Rand: Sarkozy droht allen gewalttätigen Zuwanderern, die Staatsangehörigkeit abzuerkennen.

Mit dem feierlichen Einzug in den Elysée-Palast schien Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sein kühles Law-and-Order-Image schlagartig abgelegt zu haben. Denn fortan gab das neue Staatsoberhaupt nicht mehr den scharfzüngigen Spalter, sondern den milden Versöhner. Doch nun verfolgen die Franzosen - viele übrigens mit großem Entsetzen - die Rückkehr des unbarmherzigen „Flic“.

Die jüngsten Ausschreitungen in den seelenlosen Immigranten-Vororten von Grenoble dienten Nicolas Sarkozy als Anlass, um zu einem unerwarteten Rundumschlag gegen Franzosen ausländischer Herkunft auszuholen: Wer seine Hand gegen Polizisten, Gendarmen oder andere Amtspersonen erhebe und deren Leben bedrohe, dem solle künftig die französische Staatsangehörigkeit entzogen werden.

Geschwächt durch zahlreiche Affären und Skandale

In dieselbe Kerbe schlägt Brice Hortefeux, einer der treuesten Weggefährten des Präsidenten und als Innenminister seit jeher der Mann fürs Grobe: Er will jene muslimischen Franzosen in die Staatenlosigkeit befördern, die in Polygamie leben. Der rechte Parlamentsabgeordnete Eric Ciotto, in der Präsidentenpartei UMP zuständig für Innere Sicherheit, hat sich ebenfalls eine empfindliche Strafe ausgedacht. Er will Eltern krimineller Jugendlicher zwecks besserer Abschreckung entweder mit empfindlichen Geldstrafen belegen oder sie selbst hinter Gitter schicken. Ein Vorstoß, der sich in erster Linie gegen die in den Ghettos von Paris, Marseille, Lyon und anderswo lebenden Einwanderer richtet.

Was den Präsidenten und seine Getreuen zu dieser wütenden Offensive veranlasst hat, liegt auf der Hand. Geschwächt durch zahlreiche Affären und Skandale seiner Minister holt der Verzweifelte zum erlösenden Befreiungsschlag aus. Seine Imagewerte sind erschreckend miserabel, die niedrigsten für einen Präsidenten seit über dreißig Jahren. Derselbe Nicolas Sarkozy, der 2007 als großer Erneuerer angetreten ist und dem Volk längst überfällige Reformen versprach, steht längst als kläglicher Versager da. Schwere Lasten drücken: die zunehmende Staatsverschuldung und die steigende Arbeitslosigkeit. Vor allem belastet ihn die seit Wochen schwelende Bettencourt-Affäre, in die sein Minister Eric Woerth wegen angeblich illegaler Geldspenden verstrickt ist.

Um diese Pleiten-und-Pannen-Serie zu vertuschen, eröffnet der gewiefte Polit-Stratege Nicolas Sarkozy nun einen neuen Schauplatz, den er gar zum „nationalen Krieg“ gegen kriminelle Einwanderer hochstilisiert. Ein gewagter Schachzug, mit dem er der Nation zugleich ein schrilles Déjà-vu-Erlebnis beschert. Denn schon vor fünf Jahren betätigte sich der frühere Innenminister als Brandstifter, indem er während der Pariser Ghetto-Unruhen vorschlug, die Banlieue „durchzukärchern“ und zusätzliches Benzin ins Feuer kippte.

Anti-Immigranten-Projekt als „Tabubruch“ getadelt

Bei vielen Franzosen, insbesondere am rechten Rand, scheint diese martialische Rhetorik jedoch anzukommen. Genau das dürfte der Plan des Sarkozy-Lagers sein: knapp zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl jene Wähler einzufangen, die in den letzten Jahren an den erstarkten rechtsextremen „Front National“ verlorengingen. Doch letztere halten einen entscheidenden Trumpf in der Hand: In der Ära Sarkozy nahm die Gewalt gegen Personen nicht etwa ab, sondern zwischen 2003 und 2009 sogar um 16 Prozent zu. Auch dies trifft einen empfindlichen Nerv der Bürger: Immer mehr Ghettos entwickeln sich zu gesetzesfreien Räumen, in die verängstigte Polizisten und Feuerwehrleute keinen Fuß mehr setzen.

Ob es Sarkozy tatsächlich gelingen wird, sein umstrittenes Anti-Immigranten-Projekt in einen unanfechtbaren Gesetzestext zu gießen? Der renommierte Verfassungsrechtler Guy Carcassonne jedenfalls hat große Bedenken und tadelt das Projekt als „Tabubruch“. Er verweist auf Artikel 1 der französischen Verfassung, der die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz garantiert – „ohne Unterscheidung von Herkunft, Rasse oder Religion“. „Eine doppelte Strafe für ein- und dieselbe Tat?“, fragt deshalb der frühere Justizminister Robert Badinter besorgt. Der Historiker und Einwanderungsexperte Patrick Weil zieht unterdessen Parallelen zum Vichy-Regime, das 15.000 Franzosen, darunter 7000 Juden, während der deutschen Besatzung die Staatsangehörigkeit entzog. Auch die Zeitung „Le Monde“ findet wenig Gefallen an Sarkozys Spiel mit dem Feuer. „Das gehört sich nicht für einen Präsidenten der Republik“,