Paris. .
Der Vorwurf illegaler Parteispenden für Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy beschäftigt nun die Justiz: Die Staatsanwaltschaft nahm erste Untersuchungen auf, wie Justizmitarbeiter mitteilten. Der schwer angeschlagene Nicolas Sarkozy rief seine Regierung unterdessen auf, „ruhig Blut“ zu bewahren.
Zuerst war’s nur die „Bettencourt-Affäre“, dann die „Woerth-Bettencourt-Affäre“, jetzt ist es die „Sarkozy-Bettencourt-Affäre“. Und deshalb eine handfeste Staatsaffäre. So dick qualmt der beißende Pariser Affären-Rauch, dass die Franzosen allmählich den Durchblick verlieren. Im Mittelpunkt steht nun die brisante Frage: Wurde der Präsidentschaftswahlkampf von Nicolas Sarkozy tatsächlich mit einer illegalen 150.000-Euro-Spende der Familie Bettencourt geschmiert?
Aussage steht gegen Aussage. Sowohl Präsident Nicolas Sarkozy, der vermeintliche Nutznießer, als auch UMP-Schatzmeister Eric Woerth, der angebliche Bargeld-Empfänger, sehen sich als Opfer böswilliger Verleumdungen und verweisen die Anschuldigungen der Ex-Buchhalterin Claire Thibout erbost ins Reich der Fabel.
Polizei bestätigt Aussage der Bettencourt-Buchhalterin
Viel steht auf dem Spiel: Es geht um die politische Moral und um die Wahrheit. Immerhin: Die Behauptung der Bettencourt-Buchhalterin, sie habe am 26. März 2007 Bargeld über 50.000 Euro bei der BNP-Bank in Paris abgehoben, hat sich bereits als zutreffend erwiesen. Polizisten der „Brigade zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität“ bestätigten dies am Mittwochmorgen, außerdem leitete die Justiz ein Ermittlungsverfahren ein. Claire Thibout zufolge soll Liliane Bettencourt, die steinreiche Miteigentümerin des Kosmetikkonzerns L’Oréal, den Umschlag mit dem Bargeld vor ihren Augen Vermögensverwalter Patrice de Maistre in die Hände gedrückt haben. Dieser sei daraufhin auf Geheiß der Bettencourt flugs zu einem Essen mit Sarkozys damaligem Wahlkampf-Schatzmeister Eric Woerth (heute Arbeitsminister) geeilt. Insgesamt sollen 150.000 Euro an das Sarkozy-Team geflossen sein, davon 100.000 Euro aus der Schweiz. Das klingt durchaus plausibel - nur: Ein schlagender Beweis für die Schmiergeld-Aktion fehlt.
Claire Thibout, die Frau, die offenbar zu viel weiß, ist die schillernde Schlüsselfigur in diesem packenden Polit-Krimi. Freunde beschreiben die Mittfünfzigerin als „rechtschaffen, loyal und absolut glaubwürdig“. Fast 13 Jahre stand sie in Liliane Bettencourts Diensten. In ihrem Palais im Pariser Prominentenvorort Neuilly unterhielt sie ein eigenes Büro und über die Geldangelegenheiten der reichsten Frau Frankreichs war sie bis ins letzte Detail informiert.
Frankreich erlebt eine seiner heftigsten Affären
Dass sie trotzdem Ende 2008 gefeuert wurde, hat Claire Thibout angeblich Francois-Marie Banier zu verdanken, jenem zwielichtigen Mann, der von der L’Oréal-Erbin mit einer Milliarde Euro beschenkt wurde. Der Buchhalterin war wohl zum Verhängnis geworden, dass sie den Fotografen im Polizeiverhör als skrupellosen Abzocker belastet hatte. „Ihre Anschuldigungen sind nichts anderes als ein simpler Racheakt“, zitiert die Zeitung „Le Parisien“ eine Vertraute der Milliardärin. Thibouts Anwalt Antoine Gillot hält dagegen: „Bislang hat sich noch jede ihrer Aussagen als richtig erwiesen.“
Die fünfte Republik erlebt eine ihrer heftigsten Affären, die Stimmung ist geladen. Politiker der Präsidentenpartei gehen mittlerweile auf die oppositionellen Sozialisten los wie Kesselflicker und werfen ihnen vor, Benzin ins Feuer zu gießen. Pikiert verließ die PS-Fraktion daraufhin am Montagabend geschlossen die Nationalversammlung. Auch die Internetzeitung „Mediapart“, die exklusiv über die spektakulären Enthüllungen der Buchhalterin berichtete, bekam ihr Fett ab. UMP-Generalsekretär Xavier Bertrand bezichtigte Mediapart, „faschistische Methoden“ anzuwenden.
Präsidentenpartei drängt Nicolas Sarkozy zum Befreiungsschlag
Der schwer angeschlagene Nicolas Sarkozy rief seine Regierung unterdessen am Mittwoch auf, „ruhig Blut“ zu bewahren. Doch führende Köpfe der Präsidentenpartei wollen raus aus der lähmenden Defensive, sie sehnen einen Befreiungsschlag des Präsidenten herbei. Die für Oktober angekündigte große Kabinettsumbildung müsse unbedingt sofort erfolgen, heißt es. Und Francois Copé, der einflussreiche Fraktionschef der UMP, drängt seinen Präsidenten dazu, in diesen schweren Stunden der Bedrängnis endlich zum französischen Volk zu sprechen.
Stichwort Parteienfinanzierung
Die Höhe privater Geldzuwendungen an Parteien ist in Frankreich streng geregelt. Die Obergrenze liegt bei 7500 Euro für die Partei und bei 4500 Euro für den Kandidaten. Darüber hinaus erhalten die Parteien staatliche Zuwendungen, sie entsprechen ähnlich wie in Deutschland den jeweiligem Wahlergebnis: 2008 wurden insgesamt 75 Millionen Euro ausgeschüttet, davon 34,5 Mio für Sarkozys UMP und 24,5 Mio für die Sozialisten.