Brüssel/Herne.
Ist schon 2014 Schicht im Schacht? Die EU will unrentable Steinkohlezechen deutlich früher schließen, als geplant. NRW hatte sich mit dem Bund auf einen Steinkohleausstieg bis 2018 geeinigt.
Geht es nach der EU, dann ist schon in vier Jahren Schicht im Schacht: Bis 2014 will die Kommission die Stilllegung sämtlicher unrentabler Steinkohlebergwerke erzwingen, wie sie am Dienstag bekanntgab. Das wäre vier Jahre früher als in Deutschland geplant. Die Bundesregierung einigte sich mit den Revierländern Nordrhein-Westfalen und Saarland vor drei Jahren auf ein Auslaufen der Subventionen bis 2018.
Brüssel geht das nicht schnell genug: „Unser Vorschlag soll sicherstellen, dass nicht wettbewerbsfähige Bergwerke auf jeden Fall bis zum 15. Oktober 2014 stillgelegt sind“, erklärte Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Beihilfen für unrentable Bergwerke sollen nur noch dann gestattet werden, wenn ein Stilllegungsplan mit festem Datum vorliegt und die Hilfe verstärkt dazu verwendet wird, die sozialen und ökologischen Folgen der Stilllegung aufzufangen.
„Im Interesse des Steuerzahlers“
„Unternehmen müssen ohne staatliche Hilfe überleben können“, sagte Almunia. „Das ist nicht nur eine Frage der Fairness gegenüber den Wettbewerbern, sondern auch im Interesse des Steuerzahlers und der stark strapazierten Staatskassen.“
Der EU-Ausstiegsplan würde in Deutschland die Zechen Auguste Victoria in Marl, Prosper Haniel in Bottrop und die Zeche Ibbenbüren treffen. Für sie gilt bislang eine Förderung noch nach 2013. Die Bergwerke Ost in Hamm, das Bergwerk Saar und das Bergwerk West in Kamp-Lintfort werden dagegen bis Anfang 2013 dicht gemacht. Hamm stellt den Bergbau Ende September ein, das Bergwerk Saar Mitte 2012 und Kamp-Lintfort Ende 2012. Der Ausstiegsplan ist Teil der Einigung der Kohleländer mit der Bundesregierung im Jahr 2007. Für 2012 war eine so genannte Revisionsklausel vereinbart. Demnach sollte der Ausstiegsbeschluss noch einmal übeprüft werden.
Aus Sicht der RAG Deutsche Steinkohle gilt diese Vereinbarung trotz der EU-Pläne weiter. „Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung alles tut, damit wir dieses Gesetz planmäßig umsetzen können“, sagte ein RAG-Sprecher in Herne gegenüber DerWesten.
Forderungen an Bund und Land
Prompte Kritik kam auch von der Bergbaugewerkschaft IG BCE. „Wir werden uns mit allen Mitteln gegen ein Auslaufen der deutschen Steinkohleförderung bis Oktober 2014 zur Wehr setzen. Denn das würde Massenentlassungen zur Folge haben“, teilte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis am Dienstag mit.
Die Gewerkschaft appellierte an die Politik in Berlin und Düsseldorf. „Jetzt muss die Bundesregierung ran. Sie muss dafür sorgen, dass der 2007 vereinbarte Kohlekompromiss und das Steinkohlefinanzierungsgesetz umgesetzt werden können“, sagte Vassiliadis. Der IG-BCE-Chef nahm auch die neue rot-grüne Landesregierung in die Pflicht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) habe „sich vor der Wahl für die Kohle und die Bergleute stark gemacht“. Jetzt müsse sie ihren Einfluss in Berlin und Brüssel geltend machen, „die Kohle nicht abstürzt“.
Der Kommissionsvorstoß dürfte die Debatte über die Subventionen aber vor allem in Düsseldorf und Berlin wieder anheizen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte bereits mehrfach deutlich gemacht, dass er die Subventionen schneller kürzen will. Die SPD dagegen warnte vor einem zu raschen Abbau des Abbaus.
Der deutsche Kohlekompromiss von 2007 sieht vor, dass sich Bund, Länder und die RAG die Kosten des Ausstiegs teilen. Das Aus für die rund 34.000 Kumpel soll mit Beihilfen abgefedert werden.
Mitgliedstaaten müssen zustimmen
Nach dem Vorschlag der Kommission müsste mit den Beihilfen in vier Jahren Schluss sein. Die Subventionen für die Zechen müssten überdies in jedem 15 Monats-Zeitraum um mindestens 33 Prozent sinken. Ist das verlustträchtige Bergwerk am 15. Oktober 2014 nicht stillgelegt, müsste der Empfänger die Beihilfen zurückzahlen.
Damit der Vorschlag Gesetz wird, ist allerdings die Zustimmung der Mitgliedsstaaten notwendig. Eine Einigung muss bis Ende des Jahres gefunden werden, wenn die Verordnung für Steinkohle-Beihilfen ausläuft.
Mit der neuen Richtlinie will Brüssel die Wende zu einer klimafreundlichen Energiegewinnung beschleunigen. Die Steinkohleproduktion in der EU ist bereits rückläufig, mit 147 Millionen Tonnen betrug sie 2008 noch 2,5 Prozent der Weltproduktion. Derzeit muss die EU bereits mehr als die Hälfte der für Kohlekraftwerke benötigten Kohle einführen. (apn/jgr)