Nairobi. Somalische Piraten haben nach Angaben der US-Marine wieder ein deutsches Schiff gekapert. An Bord sind elf rumänische Seeleute. Die "MS Victoria" ist das dritte Schiff einer deutschen Reederei, das sich derzeit in der Gewalt somalischer Piraten befindet.

Vor Somalia ist erneut ein deutsches Schiff von Piraten gekapert worden. Die unter der Flagge von Antigua und Barbuda fahrende «MS Victoria» wurde nach Angaben der US-Marine am Dienstag mit elf rumänischen Besatzungsmitgliedern an Bord im Golf von Aden aufgebracht.

Die Rederei Intersee aus Haren an der Ems in Niedersachsen bestätigte den Überfall. «Die entführte MS Victoria wird von uns bereedert», sagte Prokurist Mark Schöning am Mittwoch. Es handele sich um einen Mehrzwecktrockenfrachter mittlere Größe, der mit rund 10.000 Tonnen Reis beladen gewesen sei.

Rund 250 Seeleute in der Gewalt der Piraten

Damit befinden sich jetzt mindestens 19 Schiffe mit rund 250 Seeleuten an Bord in der Hand von Piraten. Die «MS Victoria» wurde nach Angaben der Regierung von Antigua und Barbuda von acht Seeräubern überfallen. Die Piraten steuerten das Schiff offenbar in Richtung der somalischen Küstenstadt Eyl. Nach rumänischen Angaben war das Schiff auf dem Weg von Indien nach Saudi-Arabien.

Ein Sprecher der EU-Mission Atalanta wies Berichte zurück, wonach die «MS Victoria» in einem geschützten Konvoi unterwegs war. Um die Überwachung des Golf von Adens zu erleichtern, würden die das Seegebiet passierenden Schiffe aber zu Gruppen zusammengefasst, sagte Fregattenkapitän Achim Winkler in der Atalanta-Kommandozentrale im britischen Northwood.

Nach dem Notruf am Dienstagnachmittag habe eine in der Nähe stationierte türkische Fregatte sofort einen Hubschrauber losgeschickt, um die Piraten zu verjagen. «Der Überfall ging aber in wenigen Minuten vonstatten», sagte Winkler. Der Hubschrauber sei deshalb zu spät gekommen.

Keine Befreiungsaktion geplant

Eine Aktion zur Befreiung der Geiseln werde Atalanta nicht starten, sagte der Sprecher. «Jeder Versuch, das Schiff zu befreien, würde Gefahr für Leib und Leben bedeuten.»

Die «MS Victoria» war für die Piraten trotz der Fahrt im Konvoi offenbar leichte Beute. Wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, am Mittwoch sagte, war das Schiff wegen seiner geringen Geschwindigkeit und seiner niedrigen Reling besonders leicht angreifbar.

Die türkische Fregatte befand sich Raabe zufolge 80 bis 100 Seemeilen von dem Frachter entfernt. Der Hubschrauber habe 40 Minuten für die Strecke gebraucht. Der Sprecher erinnerte daran, dass das überwachte Seegebiet acht Mal so groß sei wie die Bundesrepublik und daher nicht lückenlos von der EU-Mission Atalanta abgedeckt werden könne.

"Hansa Stavanger" weiter in Piraten-Hand

Festgehalten wird von den Piraten auch noch ein weiteres deutsches Schiff, der Containerfrachter «Hansa Stavanger». Somalische Piraten haben seit vergangenem Jahr trotz verstärkter internationaler Militärpräsenz in der Region bereits mehr als 100 Schiffe in ihre Gewalt gebracht. Sie werden später gegen Zahlung hoher Lösegelder wieder freigelassen. Einige Schiffe befinden sich monatelang in der Hand der Seeräuber.

Die Überfälle auf fremde Schiffe haben sich in den vergangenen Jahren zum vielleicht größten Geldbringer entwickelt, da für die Schiffe oft einige Millionen Dollar an Lösegeld bezahlt werden. Die Piraterie vor Somalia blüht vor allem deshalb, weil es schon seit fast 20 Jahren keine funktionierende Zentralregierung in dem Land am Horn von Afrika mehr gibt. (ap)

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