Bochum. Der Berliner Landesverband fordert den Rücktritt der kompletten SPD-Spitze. Auch der Bochumer Ortsverein, der einst Clement bekämpfte, bläst zum Angriff auf Steinmeier, Müntefering und Steinbrück. Die linken Sozialdemokraten haben schon ein neues Führungsduo auserkoren: Nahles und Wowereit.
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Nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl am Sonntag ringen die Sozialdemokraten um eine Neuaufstellung. Neben Forderungen nach einer Korrektur der inhaltlichen Ausrichtung werden immer stärker personelle Konsequenzen verlangt. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung nach einem Rücktritt von Parteichef Franz Müntefering. Kritik gibt es aber auch an Parteivize Frank-Walter Steinmeier.
Nach Informationen des RBB forderte der erweiterte Landesvorstand der Berliner SPD am Montagabend eine komplette personelle Erneuerung auf Bundesebene. Ein glaubwürdiger Neuanfang sei nur ohne den unterlegenen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier, den ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück und SPD-Chef Franz Müntefering möglich, hieß es demnach. Auch habe sich der Landesvorstand von den Reformen der Agenda 2010 distanziert. An der Sitzung nahm laut RBB auch Wowereit teil. In Berlin regiert die SPD bereits mit der Linkspartei.
"Wowereit und Nahles sollen an die Partei-Spitze"
Auch der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme, Rudolf Malzahn, hat nach der SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl einen völligen Austausch der Parteiführung verlangt. «Klaus Wowereit und Andrea Nahles sollen an die Spitze der Partei», sagte Malzahn der «Berliner Zeitung». Zudem müsse die SPD die Agenda 2010 und die Rente mit 67 wieder zurücknehmen. Nur dann habe die SPD eine Chance, bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Mai 2010 Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) abzulösen.
Malzahn hatte im vergangenen Jahr ein Parteiordnungsverfahren gegen den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement angestrengt. Clement hatte vor der hessischen Landtagswahl 2008 indirekt zur Nichtwahl der SPD aufgerufen. Der frühere NRW-Ministerpräsident trat dann im November vergangenen Jahres aus der SPD aus, nachdem die Bundesschiedskommission wegen seiner Äußerungen eine Rüge gegen ihn verhängt hatte.
Steinmeier drohte offenbar mit seinem Rückzug
Die neue SPD-Bundestagsfraktion tritt am Dienstag zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Die 146 neu gewählten Abgeordneten sollen den unterlegenen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier zum neuen Fraktionsvorsitzenden wählen. Er soll die Nachfolge von Peter Struck antreten, der aus dem Amt scheidet.
Steinmeier soll am Montag in der SPD-Präsidiumssitzung indirekt mit seinem Rückzug gedroht haben. Wie «Spiegel Online» unter Berufung auf Teilnehmer berichtet, sagte Steinmeier, er stehe nur unter bestimmten Voraussetzungen für Spitzenämter in der SPD zur Verfügung. So habe er davor gewarnt, von ihm entwickelte Sozialreformen rückgängig machen zu wollen. Sollte die Partei etwa die Rente mit 67 auf den Prüfstand stellen oder die «Hartz»-Gesetze korrigieren, dann sei er nicht der richtige Mann dafür, in der SPD künftig Verantwortung zu übernehmen. Steinmeier ist auch als neuer Parteichef im Gespräch
Müntefering hatte am Montag angedeutet, dass er auf dem SPD-Parteitag im November nicht erneut als Parteivorsitzender kandidieren wird. Er sprach zudem von «zwei konkreten Aufforderungen des Rücktritts».
Vogel stärkt Steinmeier den Rücken
Die nordrhein-westfälische SPD fordert unterdessen eine Stärkung sozialdemokratischer Kernkompetenz auf Bundesebene. Das Markenzeichen der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit habe «an Glaubwürdigkeit eingebüßt», heißt es in einem am Montagabend verbreiteten Beschluss des Landesvorstands. Diese Kernkompetenz müsse wieder gestärkt werden, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Der frühere Umweltminister und Chef der SPD-Grundwertekommission, Erhard Eppler, sieht dagegen keinen Grund für eine inhaltliche Neuausrichtung. Die SPD habe in den letzten zwei Jahren keine auffälligen Fehler gemacht und in der großen Koalition gut regiert. Allerdings müsse sie ihr politisches Personal verjüngen.
Der ehemalige SPD-Chef Hans-Jochen Vogel warnte seine Partei derweil vor Streitigkeiten. «Eine interne Diskussion mit gegenseitigen Vorwürfen wäre in dieser Situation nicht hilfreich», sagte Vogel. Es sei das Gebot der Stunde, «die neue Aufgabe in der Opposition anzunehmen». Steinmeier sei unter den gegebenen Umständen als Fraktionsvorsitzender die richtige Besetzung.
Wowereit plädiert für entspannten Umgang mit der Linkspartei
Zugleich setzte sich Vogel für eine Kooperation mit der Linkspartei ein. Die SPD müsse entschieden ihre Positionen verteidigen und auf dem Boden der Realität bleiben. «Wenn sich die Linkspartei dem im Einzelfall anschließt, umso besser. Dazu mag es dann auch wechselseitige Sondierungen geben«, sagte Vogel.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat für einen entspannten Umgang mit der Linkspartei auch in der Bundespolitik plädiert. «Wir haben kategorisch erklärt, auf der Bundesebene geht es mit der Linkspartei nie und nimmer», sagte Wowereit am Montagabend in der ARD-Talksendung «Beckmann». Dies sei «wirklich eine Tabuisierung». Er plädiere dafür, dass dieses Tabu wegfällt.
Die SPD solle die Linkspartei «behandeln wie andere Parteien», sagte Wowereit. «Auch mit der FDP hätten wir in vielen Punkten keine Grundlage für eine Koalition gehabt - das haben wir aber nicht zum Tabu gemacht.» Nach der «tragischen Wahlniederlage» sei es nun die dringendste Aufgabe, «die Profilschärfe der SPD herauszuarbeiten». (ddp/afp)