Essen. Sparen ist das oberste Gebot der klammen Kommunen im Ruhrgebiet. Mit der Idee, Standesämter oder Theater zusammenzulegen, hat Regierungspräsident Jürgen Büssow die Städte mehr oder weniger provoziert. Aber was ist von den Vorschlägen überhaupt machbar - und was nicht?
„Schließt Eure Theater, legt Standesämter zusammen oder gleich ganze Städte!” provozierte der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow die klammen Ruhrgebiets-Kommunen im WAZ-Interview und löste damit sehr gegensätzliche Reaktionen aus. Während Oberhausen, das hoch verschuldete, argumentiert, man könne eine Stadt auch kaputt sparen, rät der Bund der Steuerzahler den Städten durchaus, ihr sogenanntes Tafelsilber zu verkaufen. Was also ist für Kommunen machbar, was nicht?
Als Norbert Gansel, damals erster direkt gewählter Oberbürgermeister in Kiel, seinen „ziemlich harten” Haushalt vorlegte, war seine eigene Fraktion, die SPD, pikiert. Nicht nur, dass er vor allem im Sozialen sparen wollte, nein, er plante, großzügig städtischen Besitz zu verscherbeln: die städtische Wohnungsgesellschaft, die Ostseehalle, die Stadtwerke. Der Mann, früher Außenexperte, setzte sich qua Amt durch und konsolidierte den maroden Haushalt. Kiel dankt's ihm bis heute.
Düsseldorfs verstorbener OB, der CDU-Mann Joachim Erwin, war also längst nicht der erste, der diesen Weg ging, um die Schuldenlast seiner Stadt abzuschütteln. Auch Dresden sanierte sich so. Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler in NRW ist dies immer noch ein probates Mittel: „Essen etwa könnte durch den Verkauf seiner RWE-Aktien ein Drittel seiner Schulden loswerden. Und anders als bei der Schließung von Theatern oder Bädern würde der Bürger es nicht spüren.”
Oberhausen ist höchstverschuldet
Oberhausen aber hat keine Wahl, nur ein riesengroßes Finanzproblem. Die Kommune ist die höchstverschuldete des Landes. Aktuell klafft im Etat eine Lücke von 146 Millionen Euro, insgesamt lasten auf der Stadt Verbindlichkeiten in Höhe von über 1,6 Milliarden Euro. Das Grundübel: Seit 1990 übersteigen die Pflichtausgaben des Sozialetats die Einnahmen aus der Gewerbesteuer um das Doppelte. Da kommen einige Spartipps des Regierungspräsidenten Jürgen Bussow nicht gut an.
Theater schließen! „Das haben wir doch bereits 1993 getan, seitdem sind wir ohne eigenes Musiktheater”, sagt Rainer Suhr, Sprecher des Oberbürgermeisters Klaus Wehling. Jetzt werde den Oberhausenern auch noch das Recht auf ein eigenes Theater abgesprochen. „Dann soll Herr Büssow doch gleich sagen, welche die Städte erster Klasse sind.”
Sparen! Ja doch, beteuert Oberhausen. Vier der sieben Schwimmbäder wurden geschlossen. 2009 habe die Stadt erstmals weniger als 2000 Menschen in der Verwaltung beschäftigt, keine Auszubildenden eingestellt. Inzwischen gelten hier die höchsten Steuersätze in Deutschland. Gewerbetreibende zahlen soviel wie in München. Man könne ein Stadt aber auch kaputt sparen, sagt Rainer Suhr. „So wie man einen Schwamm nur so lange ausdrücken kann, bis er trocken ist.”
Wie schnell aber das Leben die Kämmerer überholt, zeigt die Finanz- und Wirtschaftskrise. „Innerhalb von nur zwölf Monaten musste Oberhausen ein Minus von hundert Millionen Euro hinnehmen. Dagegen kann keine Kommune ansparen”, rechtfertigt sich Suhr. „Hätte Oberhausen 2008 auf einen Schlag sämtliche Beschäftigten der Stadt entlassen, wäre der Haushalt ausgeglichen gewesen. Die Stadt hätte aber nicht eine einzige Pflichtaufgabe erledigt.”
„Wenn die Städte sparen sollen, müssen sie auch den Spielraum erhalten. Doch das deutsche System ist extrem durchdekliniert und steckt die Städte in ein enges Korsett, zumal sie durch Landes- und Bundesgsetzgebung zusätzliche Lasten aufgebürdet bekommen”, so Stadtökonom Martin Junkernheinrich von der TU Kaiserslautern.
Bei der Bezirksregierung Arnsberg belässt man es nicht mehr mit der Aufforderung zum Sparen: „Wir strecken als Kommunalaufsicht die Hand aus für alle Kommunen, die uns um Hilfe bitten. Wir sind bereit, uns aktiv an der Erarbeitung von Zukunftspapieren für die Städte zu beteiligen, weil wir uns nicht nur als Aufsicht, sondern auch als Dienstleister sehen”, so Regierungspräsident Helmut Diegel (CDU). Hagen, wo Stadt und Bezirksregierung in einer gemeinsamen Kommission ein Zukunftskonzept erarbeiteten, das die Stadt in die Lage versetzen soll, ein Haushaltssicherungskonzept zu erstellen, könne in dieser Hinsicht richtungsweisend sein.