Kassel. 120 Euro Strafe muss ein Ehepaar aus Nordhessen zahlen, das seine Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule schicken will und sie deshalb zu Hause unterrichtet. Zu diesem Urteil kam das Landgericht Kassel am Mittwoch. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Monate Gefängnis gefordert.
Das Landgericht Kassel hat am Mittwoch ein Elternpaar aus Nordhessen, das seine Kinder aus religiösen Gründen nicht auf eine staatliche Schule schickt, zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Gericht befand die Eltern der dauernden Entziehung der Schulpflicht in drei Fällen für schuldig und verhängte gegen beide jeweils eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à einem Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte eine dreimonatige Haftstrafe gefordert, die Verteidigung dagegen auf Freispruch plädiert.
Die Strafverfolgungsbehörde räumte ein, dass die Kinder von ihren Eltern gut unterrichtet würden. Der älteste Sohn absolviert derzeit eine Schreinerlehre und hat zumindest das zehnte Schuljahr in einer staatlichen Schule verbracht. Dort hatte er einen Abschluss mit der Durchschnittsnote 1,1 erhalten. Das spielt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft für die Verletzung der Schulpflicht aber keine Rolle.
Vater wähnte sich im Recht
Die Eltern hätten zum Ausdruck gebracht, auch weiterhin ihre Kinder nicht in eine Schule schicken zu wollen. Selbst den Besuch von christlichen Schulen würden die Eltern nicht akzeptieren. Sie seien der Meinung, dass keine Schule ihren Wertvorstellungen entspreche.
Eine Geldstrafe werde das Ehepaar nicht umstimmen, um die Kinder in eine Schule zu schicken. Daher sei eine dreimonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung angemessen. Selbst nach der Verhängung einer Gefängnisstrafe, könnten sich die Eheleute mit dem Schulamt in Verbindung setzen. Würden die Kinder in die Schule geschickt, könne auf dem Gnadenweg eine Bewährungsstrafe erbeten werden.
Andreas Vogt, Verteidiger von Jürgen Heinz D., forderte dagegen Freispruch. Die Eheleute hätten beim Schulamt in der Vergangenheit eine Heimschule beantragt. Dieser Antrag sei aber jahrelang verschleppt worden. Sein Mandant habe geglaubt, dass er sich im Recht befinde.
Der 48-Jährige habe auch in keiner Weise das Recht auf Bildung für seine Kinder verletzt. Die Kinder seien vorbildlich Zuhause unterrichtet worden. Mit der Gefängnisstrafe wolle die Staatsanwaltschaft nur ein Exempel statuieren. Auch müsse berücksichtigt werden, dass Gewissensgründe für die Schulverweigerung ausschlaggebend gewesen waren.
Strafforderung "Schlag ins Gesicht" für Eltern
Die nicht kirchlich gebundenen Eheleute hatten angegeben, dass Gott in der staatlichen Schule keine angemessene Rolle mehr spiele. Vielmehr sei nur der Mensch das Maß aller Dinge. Auch Annette Bommhardt, Verteidigerin von Rosemarie D. bat das Gericht um Freispruch. Die 43-Jährige habe aus guten Gewissen heraus ihre Kinder unterrichtet und nicht in eine staatliche Schule geschickt.
"Das Strafbegehren der Staatsanwaltschaft ist ein Schlag ins Gesicht der Eltern, denen was an der Bildung ihrer Kinder liegt", sagte Jürgen Heinz D. in seinem Schlusswort. Seine Kinder seien umfassend unterrichtet worden. "Wir halten an Glauben und Gewissen fest. Wir haben keine andere Wahl. Das ist unser Recht als Eltern", sagte der 48-Jährige. Das Schulamt solle doch eine Hausbeschulung tolerieren.
Diesem Wunsch steht jedoch ein am Dienstag schriftlich veröffentlichtes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 15. Oktober entgegen: Der 6. Senat hatte in einem weiteren Fall von Schulverweigerern entschieden, dass das Elternrecht keinen grundsätzlichen Anspruch auf einen staatlich beaufsichtigten häuslichen Unterricht begründet. Hier habe die Schulpflicht mit ihrem staatlichen Erziehungsauftrag Vorrang, befanden die Leipziger Richter. (AP)
Aktenzeichen: BverwG 6 B 27.09