Morristown. Weil sie die allgemeine Schulpflicht nicht mit ihrem Glauben vereinbaren können, haben Uwe und Hannelore Romeike in den USA einen Antrag auf politisches Asyl gestellt. Sie bestehen darauf, ihre fünf Kinder daheim zu unterrichten, was in Deutschland nicht möglich ist.
Eine deutsche Familie hat in den USA politisches Asyl beantragt. Uwe und Hannelore Romeike können die allgemeine Schulpflicht nicht mit ihrem Glauben vereinbaren können und bestehen darauf, ihre fünf Kinder daheim zu unterrichten, was in Deutschland nicht möglich ist.
So hat der Pianist seine geliebten Klaviere verkauft, um mit dem Erlös den Umzug nach Tennessee zu finanzieren. Jetzt lebt die Familie in Morristown am Fuß der Smoky Mountains, etwa 65 Kilometer nordöstlich von Knoxville. Ihren Asylantrag begründen sie damit, dass sie wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt würden. Die Familie ist einer evangelikalen Glaubensrichtung verbunden, die das Evangelium weitgehend wörtlich nimmt.
Als die Romeikes der Aufforderung nicht nachkamen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, klingelte im Oktober 2006 die Polizei an ihrer Haustür in Bietigheim-Bissingen nördlich von Stuttgart. «Wir versuchten, die Tür nicht zu öffnen», erinnert sich Uwe Romeike. «Aber sie klingelten 15 oder 20 Minuten lang. Sie riefen uns an und sprachen auf den Anrufbeantworter und sagten, sie würden die Tür eintreten, wenn wir nicht aufmachen. So habe ich aufgemacht.» Die Beamten brachten die aufgeregten und weinenden Kinder zur Schule.
Ähnlich wie viele konservative Eltern in den USA sagt Romeike, er wolle seine Kinder selbst unterrichten, weil die Schulbücher Formulierungen und Vorstellungen enthielten, die nicht mit den Werten seiner Familie vereinbar seien. Romeike nahm die drei ältesten Kinder im September 2006 von der Schule. Danach sprach der Rektor mit den Eltern über ihre Bedenken und forderte sie auf, ihre Entscheidung zurückzunehmen. Auch der Bürgermeister schrieb nach Angaben Romeikes einen Brief, in dem er Geldbußen androhte - 30 Euro pro Tag und Kind.
Kein Erfolg vor Gericht
Die Sprecherin des baden-württembergischen Kultusministeriums, Susanne Neib, sagt, die Behörden versuchten den Eltern in solchen Fällen die Vorteile der öffentlichen Schule vor Augen zu führen. Interventionen gegen den Heimunterricht seien sehr selten. Nach dem Eingreifen der Polizei gingen die Romeikes vor Gericht, hatten aber keinen Erfolg.
Jetzt sagt Romeike, er habe Angst, nach Deutschland zurückzukehren. Er fürchte, dass er dann festgenommen werden könnte und dass den Eltern die Kinder im Alter von drei bis elf Jahren weggenommen werden könnten.
Für den 2. April sei eine Anhörung vor einem Einwanderungsrichter in Memphis geplant, sagt Anwalt Michael Donnelly von der Home School Legal Defense Association, einem Verband für das Recht auf häuslichen Unterricht, der die Romeikes vertritt. Einen vergleichbaren Asylfall habe es in den USA bisher nie gegeben, erklärt die Juristin Bernadette Meyler von der Cornell Law School, die sich auf Unterschiede in der Religionsfreiheit zwischen den USA und Europa spezialisiert hat.
Die Familie Romeike sehe in den USA eine größere Freiheit für den Heimunterricht, erklärt Donnelly. Auch innerhalb von Westeuropa sei Deutschland besonders streng. «Sie haben diese Vorstellung, dass Heimunterricht eine Parallelgesellschaft schafft, und das betrachten sie als gefährlich.»
Deutscher Generalkonsul: «Weit hergeholt»
Der deutsche Generalkonsul Lutz Görgens, zuständig für den Südosten der USA, sagt, er kenne den speziellen Fall der Familie Romeike nicht. Er denke aber, dass das Argument einer Verfolgung «weit hergeholt» sei. Und er verteidigt den Grundsatz der allgemeinen Schulpflicht: «Aus Gründen, die tief in der Geschichte verwurzelt sind, und aus unserer Überzeugung, dass nur Schulen das erwünschte Niveau an ausgezeichneter Bildung sicherstellen können, gehen wir da einen etwas anderen Weg, als ihn andere Länder gewählt haben.»
Im Februar scheiterte ein Elternpaar vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen mit seiner Klage gegen die allgemeine Schulpflicht. Ein ausgebildeter Lehrer und eine Biologin wollten ihre beiden Söhne zuhause unterrichten. In den USA ist der Heimunterricht hingegen ein wachsender Trend: 2007 wurden etwa 1,5 Millionen Kinder im Elternhaus unterrichtet, die Zahl steigt jährlich um schätzungsweise acht Prozent. Für Deutschland schätzen Experten die Zahl der hartnäckigen Schulpflichtverweigerer auf etwa 500.
Ein Schlüsselerlebnis war für Romeike offenbar ein Schulbuch mit einem Abschnitt zur Sexualerziehung, in dem ein obszöner Ausdruck für den Geschlechtsverkehr verwendet wurde. In anderen Büchern würden Autoritäten missachtet oder okkulte Geschichten von Vampiren und Hexen aufgetischt, kritisiert der Vater.
«Es ist heute in den öffentlichen Schulen wirklich anders als in meiner Zeit», sagt Romeike. «Sie glauben, dass Kinder sozialisiert werden müssen und dass alle Kinder auf die gleiche Weise aufwachsen sollen.»
Beim Umzug geholfen
Beim Umzug im August vergangenen Jahres half die Home School Legal Defense Association. In Morristown gebe es viele Familien, die ihre Kinder daheim unterrichteten, sagt Romeike.
Professorin Meyler erklärt die höhere Toleranz der USA für den Heimunterricht mit der Bedeutung der Religionsfreiheit bei der Gründung der Vereinigten Staaten. Aber auch in Deutschland gibt es offenbar weiter ein Bedürfnis nach dem Heimunterricht. Elisabeth Kuhnle vom Netzwerk Bildungsfreiheit sagt, an einer Informationsveranstaltung in Baden-Württemberg hätten kürzlich 50 Familien teilgenommen.
Generalkonsul Görgens ist allerdings überzeugt, dass die große Mehrheit der Eltern den verbindlichen Schulunterricht für richtig hält. «Wenn man darüber abstimmen würde, bin ich sicher, dass die Schulpflicht mit überwältigender Mehrheit akzeptiert würde. Das ist durchaus populär, was aber nicht heißt, dass jedes einzelne Elternpaar glücklich darüber ist.» (ap)
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