Essen. Die NRW-CDU lässt Auftritte von SPD-Landeschefin Hannelore Kraft von Videoprofis dokumentieren. Politiker unter Video-Beobachtung - darf man das?
Pro
Schon allein durch die modernen Handys mit Videofunktion muss jeder halbwegs bekannte Politiker damit rechnen, gefilmt zu werden, sobald er sich in der Öffentlichkeit bewegt. Und er kann sicher sein: Ein Fauxpas wird blitzschnell als Kurzfilm im Internet landen, denn Videoportale wie YouTube erfreuen sich hoher Beliebtheit. Das haben inzwischen auch die Parteien entdeckt, die über Kurzvideos im Internet einen Zugang zu jüngeren Wählern suchen, die sie sonst wohl kaum erreichen könnten.
Bilder haben schon immer die Wahlkämpfe dominiert. Dass in heißen Wahlkampfphasen nach sichtbaren Schwächen des politischen Gegners gesucht wird, ist auch keine neue Entwicklung. Auf den Konkurrenten Profifilmer anzusetzen, ist deshalb nur Teil des Wettstreits in multimedialer Zeit.
Die Dauerpräsenz von Kameras hat auch eine Wächterfunktion. Ohne den Videobeleg der SPD und den damit ausgelösten öffentlichen Aufschrei hätte Rüttgers seine inakzeptable Rumänen-Beschimpfung möglicherweise noch weiter fortgesetzt. Abgesehen davon: Es ist doch Wunsch jedes Politikers, möglichst oft vor einer Kamera zu stehen. (Christoph Meinerz)
Contra
Wie schlecht muss es um die Parteien fast aller Couleur bestellt sein, wenn sie immer mehr darauf setzen, von Patzern ihrer politischen Gegner zu profitieren?!
Ein unbedachter Satz hier, ein peinlicher Versprecher dort – per Video über YouTube verbreitet, wird der Ausrutscher umgehend zum Wahlkampfspot in eigener Sache umfunktioniert. Und dient damit in erster Linie einem Zweck: von den eigenen mangelnden Inhalten abzulenken.
Die Verlockung mag groß sein, den Kontrahenten bloßzustellen. Aber ein Wahlkampf, sei er noch so lahm, darf nicht zur platten Pannenshow verkommen. Daran ändert auch nichts, wenn etwa Jürgen Rüttgers bei fragwürdigen Urteilen über die Arbeitsmoral von Rumänen ertappt wird. Zumal knappe Videoclips Aussagen schnell verfälschen oder gar ins Gegenteil verkehren können. Vom vermeintlichen Video-Beweis zur Manipulation ist es da nur ein kleiner Schritt. Neue Techniken und Medien bieten den Parteien die Chance, bei politisch eher uninteressierten jungen Leuten für sich zu werben. Dafür braucht es eine neue Art der Ansprache – aber keine mauen Mätzchen. (Walter Bau)