Essen. Die geplante Sperrung kinderpornographischer Internetseiten halten Kritiker für einen Schritt in Richtung Zensur. Sie bezweifeln, dass die Sperrung einzelner Seiten Kindesmissbrauch verhindert. Seit Montag können sie eine Petition gegen die Gesetzespläne unterzeichnen. Das Echo ist gewaltig.

Bis spätestens September soll nach den Plänen der Bundesregierung der Zugang zu Kinderporno-Seiten im Netz nahezu unmöglich sein – jedenfalls von Deutschland aus. Noch vor der Bundestagswahl soll das Parlament ein Gesetz beschließen, nach dem bis zu 97 Prozent der Internetanbieter verpflichtet werden können, beim Aufruf einer Kinderporno-Seite ein Stoppschild einzublenden. Die entsprechenden Internetadressen setzt das Bundeskriminalamt auf Sperrlisten und verteilt sie an die Anbieter.

Während die Große Koalition zum Gesetzentwurf steht, befürchten Kritiker den Einstieg in eine umfassende Internetzensur. Seit Montag ist auf der Internetseite des Bundestags eine elektronische Petition frei geschaltet, mit der die Unterzeichner erreichen wollen, dass das Gesetz zur Sperrung von Kinderporno-Seiten nicht verabschiedet wird. Bis zum Nachmittag haben schon mehr als 4000 Menschen die Petition unterzeichnet. Eingereicht wurde sie am 22. April von der Initiatorin Franziska Heine.

Wortlaut der elektronischen Petition

Wörtlich heißt es dort: „Wir fordern, dass der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die "Sperrlisten" weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.“

Unterzeichner: "Gefährliches Gesetzesvorhaben"

Einer der Unterzeichner ist Markus Beckedahl, der das Blog „netzpolitik.org“ betreibt. Er hält die Sperrung von Kinderporno-Seiten im Netz für ein „gefährliches Gesetzesvorhaben“. Es sei in der geplanten Form unwirksam und der Einstieg in eine „Internetzensur-Infrastruktur“. Während jetzt über Kinderporno-Seiten diskutiert werde, könnten bald auch schon Glücksspiel- oder Nazi-Seiten zur Debatte stehen. „Außerdem sind die Sperrlisten, die das BKA erstellen soll, völlig intransparent und werden der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung gestellt“, sagt Beckedahl.

Geplant ist, dass das Bundeskriminalamt künftig eine Sperrliste mit den Internetadressen einschlägiger Seiten zusammenstellt, die regelmäßig aktualisiert wird. Diese Liste wird den Internetanbietern, die mehr als 10.000 Kunden haben, übermittelt. Die Anbieter müssen dann dafür sorgen, dass nach der Eingabe der entsprechenden Internetadresse ein Stoppschild mit Warnhinweisen erscheint.

Blogger: Server müssen abgeschaltet werden

„Kein Mensch kommt durch Zufall auf eine Kinderporno-Seite“, sagt Beckedahl. Wer diese Internetadresse eingebe, wolle bewusst dorthin. Seien die Seiten gesperrt, würde der Nutzer eben andere Mittel und Wege suchen, „zum Beispiel über die Post, die eh sicherer und effektiver ist.“ Beckedahl plädiert dafür, vielmehr die Server mit kinderpornographischen Inhalten abzuschalten und fragt sich, warum das Bundeskriminalamt in dieser Hinsicht bislang nicht aktiv geworden ist.

Bis zum 16. Juni unterzeichnen

Bis zum 16. Juni kann die elektronische Petition unterzeichnet werden. Bis dahin braucht sie die Unterstützung von 50.000 Menschen oder mehr, damit der Petitionsausschuss öffentlich über sie berät. Der Petent, also in diesem Fall die Initiatorin Franziska Heine, wird zu dieser Beratung eingeladen und erhält Rederecht.

„Wahrscheinlich werden wir das Gesetz nicht aufhalten können. Aber wir wollen mehr mediale Aufmerksamkeit für die Kehrseite der Sperrung. Und wir wollen den öffentlichen Widerstand vergrößern“, sagt Beckedahl. Das geschieht zur Zeit besonders unter dem Stichwort #zensursula über den Mikroblogging-Dienst Twitter, in dem ausgiebig über die Petition diskutiert und zur Unterzeichnung aufgerufen wird. Auch beim Politcamp, bei dem am vergangenen Wochenende in Berlin rund 600 Teilnehmer über Politik im Netz sprachen, waren die Sperrpläne ein viel diskutiertes Thema. Markus Beckedahl beklagt unterdessen besonders die seiner Meinung nach eindimensionale Regierungspolitik: „Die Regierung spricht aktuell nur über die Kinderpornographie, alle anderen gesellschaftlichen Fragen müssen dabei zurückstehen.“

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