Halle. Der Kinderpornografie-Ermittler Peter Vogt aus Sachsen-Anhalt wirft das Handtuch. Der Leiter der Zentralstelle nennt einen Verfahrensstau wegen «unhaltbarer Zustände» in Polizeidirektionen als Grund. Laut Innenminister drohen wohl Strafverfahren wegen aktueller Rechtssprechung zu platzen.
Wegen eines riesigen Ermittlungsstaus bei der Polizei will der oberste Kinderpornografie-Ermittler in Sachsen-Anhalt sein Amt aufgeben. Er habe seinen Vorgesetzten gebeten, ihn von der Funktion zu entbinden, erklärte Oberstaatsanwalt Peter Vogt am Mittwoch in Halle. Ab 1. Januar 2010 stehe er für die Aufgabe nicht mehr zur Verfügung.
Als Grund führte der Strafverfolger unhaltbare Zustände in den Polizeidirektionen an, die zu einem langen Ermittlungsstau geführt hätten. So müssten Strafverfahren eingestellt werden, weil Beweise wegen Personalmangel bei der Polizei nicht fristgerecht ausgewertet werden könnten. Erst kürzlich klagte ein Verdächtiger vor dem Landgericht Magdeburg erfolgreich auf die Herausgabe von Datenträgern nach eineinhalb Jahren. Gegen wurde wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt.
Problem Rechtssprechung
Oberstaatsanwalt Vogt sagte, er ziehe seine Konsequenzen aus den Äußerungen von Innenminister und Justizministerin. Diese hatten zunächst bestritten, dass das Problem das Ausmaß von mehreren hundert Fällen annehme.
Innenminister Holger Hövelmann (SPD) räumte am Mittwochnachmittag erstmals ein, dass eine Reihe von Strafverfahren wegen der aktuellen Rechtssprechung zu platzen drohten. Die Generalstaatsanwaltschaft habe sein Ministerium bereits im vergangenen Jahr auf das Problem zu langer Bearbeitungszeiten bei der Polizei hingewiesen. Daraus habe man Schlussfolgerungen gezogen und gemeinsame Arbeitsgruppen von Justiz und Polizei gebildet, um die Zusammenarbeit zu verbessern.
Viele Verfahren noch offen
Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad berichtete, dass aus dem Bereich Kinderpornografie allein bei einer von drei zuständigen Staatsanwälten im Land 137 Verfahren offen seien, bei denen die elektronischen Beweismittel ausgewertet werden müssten. Die ältesten Fälle stammen laut Konrad aus dem Jahr 2005. Einer vorsichtigen Hochrechnung zu Folge seien 250 bis 270 Fälle von Kinderpornografie älter als neuen Monate.
Diese Frist wird von Gerichten für eine Auswertung von Beweismitteln durch die Polizei als angemessen gesehen. Danach müssten sie an die Besitzer zurückgegeben werden, beklagte der Staatsanwalt. Das Problem betrifft laut Konrad auch andere Bereiche wie Wirtschafts-, Drogen- und Mafiakriminalität sowie den Extremismus. «Die Generalstaatsanwaltschaft arbeitet derzeit daran, einen kompletten Überblick über die Zahlen zu erarbeiten.»
Polizei kann nicht schnell genug auswerten
Konrad sagte, dass das Problem für Sachsen-Anhalt nicht typisch sei. «Auch in anderen Ländern gibt es mehr oder weniger große Staus. Das hängt einfach damit zusammen, dass die Datenmengen immer größer und die technischen Möglichkeiten immer ausgefeilter werden.» Die Personalentwicklung der Polizei hinke dem offenbar hinterher.
Auch die Leiter der drei Polizeidirektionen und des Landeskriminalamtes räumten ein, dass es offene Fälle gibt. Allerdings wiesen sie eine Generalkritik zurück, nach denen bei der Polizei unhaltbare Zustände herrschen.
Mehrere große Ermittlungserfolge in der Vergangenheit
Vogt erzielte gemeinsam mit Fahndern des Landeskriminalamts in den zurückliegenden Jahren mehrere große Ermittlungserfolge im Bereich Kinderpornografie. Dazu gehört die Operation «Marcy», bei der ein Internetring mit 25.000 Tätern aus 166 Ländern aufflog.
Sowohl Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad als auch Justizministerin Angela Kolb (SPD) bedauerten Vogts Entschluss. Er sei einer der bundesweit führenden Ermittler im Bereich Kinderpornografie und habe Erfolge vorzuweisen, die weit über Deutschland hinaus für Schlagzeilen gesorgt hätten. (ap)