Erfurt. Die Thüringer SPD hat den Linken und Grünen einen Korb gegeben: Die Sozialdemokraten entschieden mehrheitlich, mit der CDU Koalitionsgespräche zu führen. Als neue Ministerpräsidentin zeichnet sich die bisherige Sozialministerin ab. Die Linke sprach von "Wählerbetrug".

Einen Monat nach der Landtagswahl ist in Thüringen die Vorentscheidung für ein schwarz-rotes Bündnis gefallen. Der SPD-Landesvorstand beschloss nach vierstündigen Beratungen in der Nacht zu Donnerstag in Erfurt, Koalitionsgespräche mit der CDU aufzunehmen. Künftige Thüringer Regierungschefin wird voraussichtlich die bisherige CDU-Sozialministerin Christine Lieberknecht. Die SPD hatte auch mit Linken und Grünen die Möglichkeiten eines Bündnisses ausgelotet. Die Linken reagierten nach der Entscheidung empört und sprachen von Wählerbetrug.

Große Mehrheit für große Koalition

Die Entscheidung des Landesvorstands fiel mit 18 zu 6 Stimmen für Koalitionsverhandlungen mit der CDU, die bereits Anfang kommender Woche beginnen sollen. SPD-Landeschef Christoph Matschie sagte: «Wir sind überzeugt, dass in einer solchen Koalition mehr Stabilität möglich ist.» In den Sondierungsgesprächen mit Linken und Grünen sei es schwer gewesen, Vertrauen zu entwickeln und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Größtes Hindernis für ein rot-rot-grünes Bündnis war der Streit um das Ministerpräsidentenamt. Die SPD akzeptierte ein solches Bündnis nur unter eigener Führung. Zwar verzichtete nach Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow auch Matschie auf den Chefposten, auf einen gemeinsamen Personalvorschlag konnten sich SPD und Linke bis zuletzt aber nicht verständigen.

Die CDU hatte bei der Landtagswahl am 30. August die absolute Mehrheit verloren. Sie kann nur mit der SPD weiterregieren, die hinter der Linkspartei drittstärkste Kraft wurde. Eine schwarz-rote Koalition hätte im Landtag 48 von 88 Sitzen. Eine rot-rot-grüne Koalition wäre auf 51 Sitze gekommen.

CDU jubelt

Lieberknecht begrüßte die Entscheidung des SPD-Landesvorstands. «Ich freue mich sehr, es ist die erhoffte Entscheidung», sagte Lieberknecht. «Wir werden jetzt zügig daran gehen, um mit der SPD tatsächlich die Koalitionsverhandlungen zu führen und zügig eine handlungsfähige Regierung für Thüringen neu begründen zu können», sagte Lieberknecht.

Noch in dieser Woche wolle sie als Verhandlungsführerin der CDU mit SPD-Chef Christoph Matschie den Fahrplan für die Koalitionsverhandlungen abstecken. «In den Sondierungsgesprächen haben wir kein Thema ausgelassen», sagte Lieberknecht. «Wir wissen, dass wir uns in allen Feldern zu Kompromissen bereitfinden können», fügte sie hinzu.

Lieberknecht war Anfang September von der Partei als Ministerpräsidentenkandidatin einer schwarz-roten Koalition vorgeschlagen worden. Sie wäre nach der einstigen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) die zweite Frau an der Spitze eines Bundeslandes.

Linke sauer

Linke-Landeschef Knut Korschewsky warf der SPD «ganz klaren Wählerbetrug» vor. Die Wähler, die mit der SPD-Stimme den Wechsel gewählt hätten, seien «blank verschaukelt» worden, sagte Korschewsky. Die SPD habe die Zeichen der Zeit nach der Landtags- und der Bundestagswahl nicht verstanden. Der Linke-Politiker warf der SPD zudem vor, sie habe sich von der CDU durch Versprechen «kaufen» lassen.

FDP-Generalsekretär Patrick Kurth äußerte hingegen «Respekt» vor der Entscheidung der SPD. Diese sei «deutlich anders, als wir dies zunächst erwarten konnten», sagte Kurth. Im Bund sei zwar gerade das «erfolglose Modell» einer schwarz-roten Koalition abgewählt worden. Für Thüringen wäre es aber «fatal» gewesen, wenn in der aktuellen Situation mit Experimenten «totale Handlungsunfähigkeit» hergestellt worden wäre. (ddp)