Essen. Wenn Wasser knapp wird, hat das Folgen für Mensch und Natur. Zwei Experten erklären, wie es um die wertvolle Ressource in Deutschland steht.

Wasser ist die Lebensgrundlage Nummer eins. Es bietet nicht nur Lebensräume für zahlreiche Tiere und Pflanzen, in Form von Trinkwasser ist es auch ein Menschenrecht. In Deutschland gilt es bislang als selbstverständlich, ausreichend Wasser von hoher Qualität zur Verfügung zu haben. Doch Bilder von vertrockneten Feldern, Flüssen mit niedrigem Pegel und abgestorbenen Waldflächen zeigen auch hierzulande, was passiert, wenn Niederschläge ausbleiben und extreme Dürre zunimmt. Doch wie steht es angesichts klimatischer Veränderungen um den Wasserhaushalt in Deutschland? Im Gespräch mit dieser Zeitung klären zwei Experten auf.

Auf dem Weg in eine flächendeckende Dürre sei Deutschland laut Dr. Ralf Merz nicht. Er ist Hydrologe am Helmholz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Experte für Wasserressourcen. Dennoch erlebe Deutschland eine Wasserkrise, sagt er. An einigen Orten sei es zu trocken und die Grundwasserstände gingen zum Teil zurück. „Wir haben regional und temporär immer wieder Dürreereignisse. Dort wird das Wasser für die Natur knapp“, so der Experte.

Grundwasserspiegel sinkt an vielen Orten

Vor allem zu trockene Sommer seien eine der größeren Herausforderungen in Deutschland um die Ressource Wasser, sagt Dr. Helmut Grüning, Professor für Wasserversorgung und Stadthydrologe an der FH Münster. „Deutschland ist ein mit Wasser gesegnetes Land“, sagt er, „wir haben allerdings große Unterschiede im Niederschlagsgeschehen.“ Regionen mit wenig Niederschlag sind etwa Nordost- und Mitteldeutschland. In diesen Gebieten kommt wenig Wasser in den Boden, das versickern und die Grundwasserspeicher wieder auffüllen kann. „Dort kommt es saisonal zu Stresssituationen, in denen wir darauf aufpassen müssen, was mit unseren Wasserressourcen passiert“, so Ralf Merz.

Eine Folge der zunehmend trockenen Sommer seien laut Grüning sinkende Grundwasserspiegel. Das Recherchenetzwerk Correctiv hat Daten von rund 6.7000 Grundwasser-Messstellen der vergangen dreißig Jahre ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen: Knapp die Hälfte aller ausgewerteten Orte hatten in den Dürrejahren zwischen 2018 und 2021 den tiefsten Grundwasserstand seit 1990. In den letzten 32 Jahren ist der Stand insgesamt mehr gesunken als gestiegen.

Deutschland ist nicht auf dem Weg in eine flächendeckende Dürre, sagt Dr. Ralf Merz, Hydrologe am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Deutschland ist nicht auf dem Weg in eine flächendeckende Dürre, sagt Dr. Ralf Merz, Hydrologe am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ). © UFZ | Sebastian Wiedling

Wenn das Grundwasser sinkt, kann dies verheerende Folgen für Mensch und Umwelt haben. Es speist unter anderem Bäche und Flüsse. Sinkt der Stand, versickert das Wasser der Fließgewässer ins Unterirdische. Das Problem: Spurenstoffe wie Medikamentenrückstände oder Mikroplastik reichern sich unter anderem in Flüssen an. Sie gelangen unter anderem auch durch Düngung ins Grundwasser und können das Trinkwasser belasten. In Deutschland werden rund 74 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser bezogen. „Technisch ist es möglich, viel aus dem Trinkwasser herauszubekommen“, sagt Merz, „aber je mehr man es behandeln muss, desto teurer wird es. Und in Deutschland sind wir es gewohnt, Trinkwasser zum billigen Preis zu bekommen. Das wird in Zukunft vielleicht nicht mehr so sein.“

Starkregen füllt Grundwasserspeicher nicht auf

Dennoch sind sich die Experten einig, dass es in Deutschland nicht flächendeckend zu Engpässen bei der Trinkwasserversorgung kommen wird. „Wir gehen in Deutschland nicht davon aus, dass es in Zukunft insgesamt weniger regnen wird“, sagt Helmut Grüning. Stattdessen werde sich die Verteilung der Niederschläge verändern: Während es im Winter mehr regnen wird, kommt es im Sommer zu weniger Niederschlägen.

Trockenphasen im Sommer werden dennoch zunehmend aufgrund klimatischer Veränderungen durch intensive Starkregenereignisse unterbrochen. „Das rettet uns aber nicht, denn das Wasser fließt sehr schnell unter anderem über die Kanalisation in die Oberflächengewässer ab. Bei großräumigem und länger anhaltendem Starkregen kommt es zu Überflutungen wie im Ahrtal. Dieses Wasser reichert aber das Grundwasser nicht an“, so Grüning. Das Grundwassersystem ist träge und arbeitet langsam. Aufgefüllt wird es erst durch nicht zu starke und langanhaltende Niederschläge.

Wasserknappheit betrifft auch Wirtschaft

Durch veränderte Niederschlagsverteilungen steht bereits im Frühjahr weniger Wasser zur Verfügung. Dieses Problem beziehe sich jedoch nicht auf das Grundwasser, sondern auf Wasser aus den Oberbodenschichten, so Grüning. Das treffe vor allem die Landwirtschaft und Vegetation. Denn sie benötigen Wasser für die Anpflanzung und Blütezeit. „Die Natur kann extremen Schaden durch die Dürre nehmen“, so auch Ralf Merz vom Helmholz-Zentrum. So sind Zwei Drittel des Waldes im Harz mittlerweile abgestorben. In der Landwirtschaft zeigt sich die Dürre durch Ernteeinbußen, wodurch Lebensmittelpreise steigen werden, sagt der UFZ-Experte.

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Neben der Landwirtschaft kommt es bei Wasserknappheit außerdem zu Herausforderungen für den Bergbau, die Energieversorgung und das verarbeitende Gewerbe. Denn den größten Wasserbedarf haben in Deutschland nicht die Privathaushalte – es ist vor allem die Wirtschaft, die auf die nasse Ressource angewiesen ist. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2019 von deutschen Wirtschaftsbetrieben etwa 15,3 Milliarden Kubikmeter Frischwasser verwendet. Betriebe der öffentlichen Wasserversorgung sind davon ausgenommen. Knapp 85 Prozent des Wassers flossen in die Kühlung von Produktions- und Stromerzeugungsanlagen. Das Wasser dafür wird hauptsächlich aus Oberflächengewässern wie Flüssen und Talsperren entnommen. „Im letzten Dürresommer haben wir schon erlebt, dass Kraftwerke abgestellt werden mussten, weil man sie nicht mehr kühlen konnte“, so Merz.

Wasserknappheit: Ausgleich zwischen den Regionen

Um die Wasserknappheit und Austrocknung in Zukunft zu verhindern, brauche es Konzepte, für einen Ausgleich zwischen wasserreichen und wasserarmen Regionen, sagt Grüning. Dabei sieht er besonders Kommunen in der Verantwortung. „Zum richtigen Umgang mit Wasser müssen Städte planerisch umgestaltet werden“, so der Hydrologe der FH Münster. Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland aktuell 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen befestigt, wie etwa bebaut, betoniert, asphaltiert oder gepflastert. Das hat Auswirkungen auf den urbanen Wasserhaushalt. Regenwasser kann kaum versickern und den Grundwasserspeicher füllen. Zudem steigt das Risiko für örtliche Überschwemmungen bei Starkregen.

Dr. Helmut Grüning lehrt und forscht an der FH Münster unter anderem zu Stadthydrologie und Gewässerschutz, Leitungsbau und Wasserversorgung.
Dr. Helmut Grüning lehrt und forscht an der FH Münster unter anderem zu Stadthydrologie und Gewässerschutz, Leitungsbau und Wasserversorgung. © FH Münster

Als sogenannte Schwammstädte können Kommunen Niederschlagswasser zur Bewässerung und zur Abkühlung speichern. Begrünte Dächer, Versickerungsanlagen und die Entsiegelung von Flächen sind Maßnahmen zur wasserbewussten Stadtentwicklung. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Bochum, die sogenannte Baumrigolen gebaut hat. Die unterirdischen Speicher bieten Schutz vor Überflutungen und die Bäume sorgen für Abkühlung durch Verdunstung. Die Systeme verhindern urbane Hitzeinseln und leisten gleichzeitig einen Beitrag zur Baumbewässerung.

Nationale Wasserstrategie stößt bei Experten auf Zuspruch

Um die Ressource Wasser sicherzustellen, müssten Gewässer außerdem in ihren natürlichen Zustand überführt werden. „Wir haben jahrzehntelang in die Landschaft eingegriffen, um das Wasser aus ihr herauszubekommen. Wir haben Flüsse begradigt, Moore trockengelegt und den Boden mit Dränagen entwässert“, sagt Ralf Merz. Durch Renaturierung müsse das Wasser jetzt wieder möglichst lange in der Landschaft gehalten werden. Laut Umweltbundesamt ist es das Ziel von Renaturierungsmaßnahmen, den ökologischen Zustand von Flüssen und Bächen zu verbessern. Unter anderem reduziere es die Hochwassergefahr und unterstütze den Abbau umweltbelastender Stoffe.

Auch der Bund hat sich einem bewussteren Umgang mit Wasser verschrieben. Mitte März wurde vom Kabinett die nationale Wasserstrategie verabschiedet. Kernziele sind die Versorgung mit Trinkwasser, der Schutz von Grundwasser und Ökosystemen sowie die ausreichende Wasserversorgung von Landwirtschaft und Wirtschaft. Geplant sind 79 Maßnahmen, die schrittweise bis 2050 umgesetzt werden sollen. Unter anderem will das Bundesumweltministerium Verbundnetze und Fernleitungen planen, die Wasser aus nassen Regionen in trockene Gebiete bringen sollen.

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Die Experten befürworten die nationale Wasserstrategie. „Sie spricht viele Punkte an und hat ambitionierte Ziele“, sagt Merz, „ich bin optimistisch, dass man sie zum großen Teil umsetzen kann.“ Allerdings gebe sie nur einen strategischen Rahmen vor und keine konkreten Handlungsmaßnahmen. „Die Schwierigkeit kommt jetzt mit der Umsetzung.“