Essen. Sie hat schon immer mit Berlin gefremdelt, ist nach Sitzungen geradezu geflohen. Man kann Hannelore Kraft glauben wenn sie sagt, sie werde niemals Kanzlerkandidatin sein. Diese Aussage kommt nur auf den ersten Blick überraschend. Tatsächlich passt sie zu Kraft: rational wie emotional.
Der Rekord-Langzeit-Bundeskanzler Helmut Kohl hat einmal gesagt, wenn ihm ein Abgeordneter versichere, er wolle nicht Regierungschef werden, glaube er diesem nicht ein Wort. Jeder, so Kohl, damals noch selbst Kanzler und in unzähligen Machtkämpfen gestählt und illusionslos gleichermaßen geworden, wolle doch Regierungschef werden. Deshalb gehe man doch in die Politik.
Und doch kann man Hannelore Kraft glauben wenn sie sagt, sie werde niemals Kanzlerkandidatin sein. Diese Aussage kommt nur auf den ersten Blick überraschend. Tatsächlich passt sie zu Kraft: rational wie emotional.
In NRW sitzt die SPD felsenfest im Sattel
Rational: Die SPD ist womöglich deutschlandweit eine 25-Prozent-Partei geworden. Wie sollte sie, bei den ganzen Richtungskämpfen, bei der fast schon notorischen Unregierbarkeit, die diese Partei ausstrahlt, bei der ausgeprägten Lust zur Selbstbeschäftigung, in Berlin den Kanzler stellen? Kraft hat schon NRW-Ministerpräsidenten in Berlin verglühen sehen: Clement wie Steinbrück.
In Nordrhein-Westfalen ist es genau umgekehrt. Die SPD sitzt felsenfest im Sattel, im Ruhrgebiet sowieso. Die Führungsfrage ist geklärt, Kümmerin Kraft ist beliebt und unangefochten. Die CDU erscheint von der Regierungsfähigkeit noch weit entfernt. Rational spricht aus der Sicht von Kraft beinahe alles für Düsseldorf, wenig für Berlin.
Warum sollte Kraft ein fremdbestimmtes Leben in Berlin wollen?
Emotional: Was sollte jemanden, der in Düsseldorf weitgehend intrigenfrei agieren kann, in die Intrigenhauptstadt Berlin ziehen, es sei denn: Größenwahn? Weshalb sollte jemand, der Bürgernähe lebt und mag, seinen Platz nahe dem Volk tauschen gegen einen Schleudersitz im erdfernen Raumschiff?
Und weshalb sollte Kraft, die in NRW weitgehend selbstbestimmt arbeitet, ihr zufriedenes Dasein mit einer im Ruhrgebiet verwurzelten Familie eintauschen gegen ein fremdbestimmtes Leben in Berlin, in dem es mehr um Eitelkeiten und andere egozentrische Befindlichkeiten geht als um politische Substanz? Kraft hat deshalb schon immer mit Berlin gefremdelt, ist nach Sitzungen nicht einfach nur heimgereist, sondern geradezu geflohen.
Fazit: Die SPD kann nach Krafts Ansage jetzt planen. Stimmen die Mitglieder gegen den Koalitionsvertrag, ist die Partei platt.