Essen. Putin sind in Analyse und Planung offenbar mehrere Fehler unterlaufen. Warum er umso gefährlicher wird, je näher er mit dem Rücken zur Wand steht.
Im Krieg stirbt bekanntlich die Wahrheit zuerst, denn die Hoheit über die Nachrichtenlage und deren Deutung sind von zentraler Bedeutung für die Motivation der eigenen Soldaten und für den Rückhalt der Menschen im Land.
Dennoch lässt sich wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine feststellen, dass Kriegstreiber Putin und seinen militärischen Beratern in Analyse und Planung offenbar mehrere Fehler unterlaufen sind. Vor allem haben sie die militärische Kampfkraft und den unbedingten Willen der ukrainischen Soldaten und ihrer politischen Führung im Kampf um Freiheit und Demokratie unterschätzt.
Putins Überfall auf die Ukraine schweißt die zerstrittene EU zusammen
Auch die ungeheure Solidarisierung mit den Menschen in der Ukraine haben sie in diesem Maß offensichtlich nicht vorhergesehen. Hunderttausende Menschen gehen weltweit auf die Straßen, um gegen Putin und dessen Krieg zu demonstrieren. Wir erleben ein aufrichtiges Aufbegehren mit hoher Symbolkraft.
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Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Putins Überfall innerhalb weniger Tage eine zuvor zerstrittene Europäische Union in der Not zusammenschweißt. Dass dieser Putin für eine historische Kehrtwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sorgt, die manche deutsche Illusion wie die von der Selbstverständlichkeit der Freiheit in kürzester Zeit abräumt und zu einer neuen Definition von wehrhafter Demokratie führt. Und dass der Westen gemeinsam zu Wirtschaftssanktionen bereit ist, die in diesem Ausmaß bis vor kurzem nicht denkbar waren.
Das alles lindert zunächst nicht das Leid der Menschen und reduziert nicht das Ausmaß an Zerstörung. Hier gibt es nichts zu beschönigen. Doch je länger die Kämpfe dauern, je weniger Geländegewinne auf russischer Seite zu verzeichnen sind, je stärker der schon jetzt beeindruckende ukrainische Präsident Selenskyi als Hoffnungsträger seines Landes wird, desto stärker leidet die Moral der russischen Soldaten, desto mehr Zeit gewinnt der Westen für Gegenmaßnahmen und desto mickriger erscheint Putin.
Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt wissen, wie dieser Krieg ausgeht. Eine Variante (und Hoffnung) wäre es, dass Putin von seinen milliardenschweren Oligarchen-Freunden gestoppt wird, weil die nicht bereit sind, ihr bisheriges Leben wegen der Allmachtsfantasien Putins aufzugeben. Oder steht das eigene Volk gegen ihn auf? Das gilt als eher unwahrscheinlich und würde, wenn überhaupt, viel zu lange dauern.
Krieg in der Ukraine: Der Westen sollte Ausstiegsszenarien durchspielen
So oder so sollte der Westen schon jetzt Ausstiegsszenarien durchspielen, in denen Russland ohne größeren Gesichtsverlust aus dem Krieg herauskommen könnte. Ja, das klingt angesichts des aktuellen Leids absurd und widerspricht aller Wut und allen Emotionen, mit denen wir auf diesen mörderischen Krieg sehen.
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Der nüchterne Blick auf die Lage zeigt allerdings, dass Putin umso gefährlicher wird, je näher er mit dem Rücken zur Wand steht. Was kann das für den weiteren Verlauf bedeuten? Undenkbar ist es, Demokratie und Freiheit der Ukraine aufzugeben. Denkbar wären aber internationale Vereinbarungen, die eine neue Sicherheitsarchitektur aufbauen, in denen auch Russland seine Sicherheitsinteressen gewahrt sieht.
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Diese Gedanken mögen uns aktuell zuwider sein: Aber niemand ist gefährlicher als der radikalisierte Kriegsführer einer Atommacht, der nichts mehr zu verlieren hat.