Köln. Erwartet worden waren 30.000 Teilnehmer, am Ende waren es 250.000 Menschen, die Rosenmontag in Köln für Frieden in der Ukraine demonstrierten.

Köln am Rosenmontag, kurz nach 9 Uhr. Am „Alter Markt“ bauen Arbeiter Buden und Tribünen ab. Wo in anderen Jahren eines der Epi-Zentren des Karnevals ist, herrscht in diesem Jahr gähnende Leere. Wie zunächst fast überall in der Stadt. Nur nicht am Chlodwigplatz. Dorthin strömen die Menschen aus allen Richtungen. Um 10 Uhr soll es hier eine „kurze Kundgebung“ geben, dann ein Zug durch die Stadt starten. Erwartet werden 30.000 Teilnehmer – am Ende kommen 250.000.

Gegen Mittag zogen die Demonstranten durch die Kölner Innenstadt
Gegen Mittag zogen die Demonstranten durch die Kölner Innenstadt © FFS | Kai Kitschenberg

„Wir machen eine Demonstration, keinen Rosenmontagszug, das sollte jeder Jeck berücksichtigen“, hat Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees des Kölner Karnevals im Vorfeld klargestellt. Deshalb werden weder Festwagen mitgenommen, noch Kamelle geworfen.

Weißen Tauben steigen in den Himmel

Trotzdem sorgen sich manche, dass der ein oder andere die Gelegenheit zum Feiern nutzen könnte. „Wenn da in Uniformen rumgelaufen wird, fängt auch irgendeiner an, Heidewitzka zu singen“, warnt der Vorsitzende einer Karnevalsgesellschaft. Eine unbegründete Sorge. Zwar kommen manche in bunten Kostümen, aber niemand feiert Karneval.

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Bevor weiße Tauben in den Himmel geschickt werden und es los geht durch die Stadt, gibt es Reden und Appelle. Kuckelkorn ruft: „Herr Putin, stoppen Sie den Wahnsinn“ und die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker solidarisiert sich nicht nur mit der Ukraine, sondern auch mit den Antikriegs-Demonstranten in Russland. Für sie empfindet Reker „grenzenlose Bewunderung“.

Putin zimmert sich als Riesenbaby eine neue Sowjetunion

Putin als Riesenbaby, das sich eine neue Sowjetunion bastelt
Putin als Riesenbaby, das sich eine neue Sowjetunion bastelt © FFS | Kai Kitschenberg

Dem großen Andrang ist es geschuldet, dass sich die Demo mit einer Stunde Verspätung in Bewegung setzt. Über die Severinstraße geht es Richtung Neumarkt. Dort ist es mittlerweile ebenfalls voller geworden – wohl auch, weil hier der Persiflagewagen steht, auf dem sich Putin als Riesenbaby mit einem Hammer eine neue Sowjetunion zusammenzimmert.

In kleinen Gruppen stehen die Menschen beieinander und reden. Wobei unterschiedliche Meinungen eher die Ausnahme sind. Ein „Irrer“ sei der Putin sagt einer, und alle um ihn herum nicken. Genau wie sie sich einig sind, dass die völlige Absage der Zuges „schade“, aber „alternativlos“ war. „Ich bin zwar jeck“, sagt Inga (34), die mit Mann und Tochter gekommen ist. „Aber unter diesen Umständen kann man einfach nicht feiern.“

Viele schließen sich dem Demo spontan an

Ruhig ist es am Neumarkt. So ruhig, dass ein junger Mann, der mit einem tragbaren Lautsprecher gekommen ist, aus dem die Bitte klingt „Schatzi, schenk mir ein Foto“, so böse angeschaut wird, dass er sofort ausschaltet. Auch als die Demo kurz vor 12 den Neumarkt erreicht, bleibt es leise.

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Von den Blauen Funken, einer der ältesten Karnevalsgesellschaften der Stadt, die ihn eigentlich anführen wollten, ist da noch nichts zu sehen. So groß ist der Zulauf von sich spontan anschließenden Passanten auf den ersten Kilometern, dass die eigentliche Spitze des Zuges immer noch am Startpunkt steht.

Auch die Kicker des FC werden gesichtet

Blau-Gelb sind die dominierenden Farben im Demonstrationszug
Blau-Gelb sind die dominierenden Farben im Demonstrationszug © FFS | Kai Kitschenberg

Schweigsam umkreisen die Menschen den Platz. Ministerpräsident Hendrik Wüst ist zur Demo gekommen, auch Kicker des 1.FC Köln werden gesichtet. Ansonsten gehen viele junge Leute und noch mehr Familien mit kleinen Kindern mit.

Ukrainische Fahnen werden geschwenkt, Plakate in die Luft gestreckt auf denen „No war“ steht oder „Free Ukraine“. Manche haben sich ihr Gesicht Blau-Gelb geschminkt oder tragen Schals und Mütze in passenden Farben, fast alle eine Corona-Schutzmaske. Und wenn sie dann doch singen, dann Lieder wie „Give Peace a Chance“.

Wolfgang Niedeckenist stolz auf seine Stadt

Gegen 16 Uhr erreichen die letzten Teilnehmer das Ziel des Umzuges an der Mohrenstraße. „Alles ruhig geblieben“, meldet die Polizei und Kuckelkorn zieht erfreut eine erste Bilanz. „Die Kölner und der Karneval haben heute gezeigt, dass alle zusammenstehen, wenn es darauf ankommt.“ BAP-Sänger Wolfgang Niedecken macht es noch kürzer: „Ich bin stolz auf meine Stadt.“

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Das sind die meisten an diesem Tag und daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass ab dem frühen Nachmittag doch noch viele Jugendliche auf die Partymeile an der Zülpicher Straße ziehen. „Die sind“, ist ein älterer Mann beim Anblick der Feiernden überzeugt, „bestimmt nicht von hier.“