Der Papst rüttelt nicht am Zölibat. Damit vergibt er eine historische Chance

Und sie dreht sich doch nicht! Der Papst lässt keine Lockerung beim Zölibat zu. Lieber eine Kirche ohne Priester als verheiratete Priester oder - Oh Gott - Frauen im Amt.

Die Amazonas-Synode sollte zum Testfall werden für mögliche Veränderungen, welche die römische Kirche ins 21. Jahrhundert bringen könnten. In Amazonien brennt nicht nur der Regenwald. Es brennt auch das katholische Haus. Dort ist der Priestermangel besonders ausgeprägt. In dieses Vakuum dringen mit überwältigendem Erfolg die Freikirchen mit ihren verheirateten Missionaren.

Dynamische Erosion des Systems

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Franziskus, der Reformpapst, hat es in der Hand, Dinge zu bewegen. So wie Konzilspapst Johannes XXIII., der 1962 das II. Vatikanum eröffnete, um die Katholiken ins Weltraumzeitalter zu führen. Manche Hardliner haben ihm das bis heute nicht verziehen. Na und?

Franziskus also könnte verheirate Priester mit einer Unterschrift zulassen. Er könnte Frauen wenigstens zum Diakonat zulassen. Im Intrigen-Dschungel des Vatikans ist der Papst einer der wenigen freien Männer, er ist arm, er kommt von außen, er muss keine kostbare Porzellansammlung abstauben wie so mancher Würdenträger. Und doch lässt er sich vom Gegenwind der Konservativen so stark beeinflussen, dass er Getreuen wie Kardinal Marx in den Rücken fällt.

Möglicherweise verkennt man in Rom die Dynamik der Erosion des Systems. Die enttäuschten Christen hingegen müssen in Deutschland mit abenteuerlichen, seelsorgefernen Großgemeinden-Konstruktionen leben; sie sehen ja die Vielzahl der Priester, die den Zölibat nicht ertragen, die mit Freundin oder Freund zusammenleben. Der Geist der Reform ist aus der Flasche. Und die Frauen lassen sich erst recht nicht mehr mit Argumenten vergangener Jahrhunderte abspeisen.