Mülheim. “Pottkinder“ von Alexander Waldhelm, porträtiert eine Ruhrgebiets-Familie und kann sich gut sehen lassen. Vorbild des Films: “Bang Boom Bang“.

  • Drei Wochen vor der Premiere wurde den Medien eine Rohfassung der „Pottkinder“ präsentiert
  • Der Film ist eine unterhaltsame Mischung aus Humor, Ernsthaftigkeit, Alltags- und Milieuschilderung
  • Es lohnt sich, in dem Film auf den liebevollen Umgang mit Details zu achten

Die Kamera sucht eine langsame Annäherung an die Familie Klüsen, tastet sich über die Tapete und das Regal zur Küche. „Ich bin ein Ruhrpottkind, und ich hab Spaß dabei“, singt Zepp Oberpichler zur akustischen Gitarre aus dem Off.

Der 50-jährige Musiker hat den Song der Film-Crew um Alexander Waldhelm geschenkt und unterstützt dessen „Pottkinder“ wie das gute Dutzend Comedy-Stars von Gerburg Jahnke bis Fritz Eckenga mit ihren Gastauftritten auf seine Weise. Und nach knapp 110 Minuten singt Sebel: „Heimat ist, wenn du trotzdem glücklich bist.“ So zeichnet der Film „Pottkinder“ nicht nur ein sympathisches Bild einer ganz normalen Familie, sondern der mitreißende Soundtrack bietet auch einen lebendigen Einblick in die regionale Musikszene.

Fast die ganze Crew ist im Filmgeschäft noch unerfahren

Drei Wochen vor der bereits ausverkauften Premiere in der Essener Lichtburg wurde der Film in einer Rohfassung im selben Haus den Medien präsentiert. Für Waldhelm und seine beiden Hauptdarsteller Michael Mölders und Gerd Fleuren war das die größte Qual, nicht nur, weil sie sich mit ihrer Arbeit erstmals der Öffentlichkeit stellten, sondern weil ihnen jede kleine Unzulänglichkeit und die Schwäche jedes Kompromisses, der mangelnden Zeit und dem kleinen Budget geschuldet, stärker ins Auge fällt als dem Publikum.

„Bedenken Sie bitte, dass 95 Prozent der Crew bislang über keinerlei Erfahrung beim Film verfügt“, schickt Waldhelm, der Film- und Fernsehwissenschaften in Bochum studierte, im echten Leben aber für eine Forschungseinrichtung Marketing für Elektromobilität macht, der Vorführung voraus.

Gerd Fleuren (Hauptdarsteller), Alexander Waldhelm (Regie) und Michael Mölders (Hauptdarsteller) des Films Pottkinder am 6.4.2017 in der Lichtburg. Der Film hat am 10.Mai seine Deutschlandpremiere. Foto: Knut Vahlensieck / FUNKE  Foto Services
Gerd Fleuren (Hauptdarsteller), Alexander Waldhelm (Regie) und Michael Mölders (Hauptdarsteller) des Films Pottkinder am 6.4.2017 in der Lichtburg. Der Film hat am 10.Mai seine Deutschlandpremiere. Foto: Knut Vahlensieck / FUNKE Foto Services © Knut Vahlensieck

Zuschauer sollten auf die vielen Details achten

Dabei haben er und sein Team einen solchen Großzügigkeitsbonus gar nicht nötig. „Pottkinder“ kann sich gut sehen lassen. Natürlich ließe sich an Details mäkeln, aber der Film ist eine unterhaltsame Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit, Alltags- und Milieuschilderung.

Die Zuschauer sollten auf den liebevollen Umgang mit Details achten. So liest einmal der Chef von Jörg Klüsen in einer Zeitung, auf deren Rückseite eine Reportage über die „Pottkinder“-Dreharbeiten zu sehen ist. Und der Kette rauchende Gebrauchtwagenhändler (großartig: Mark Jankowski) sitzt in seiner Butze, Hardrock dröhnt, und auf der Zeitungsseite prangt die Überschrift: „Sehnsucht nach Ruhe“. Auch das Fernseh-Team von Sat1, das Manni Breuckmann zu seiner Pförtner-Rolle befragte, resümiert nach der Präsentation: „Es lohnt sich.“

Waldhelm bemüht sich mit einem Augenzwinkern um Realismus, ohne gleich Klischees zu bedienen. So geht es über weite Strecken um die Depression von Mutter Inge. Der 41-Jährige freut sich über die Frage, wer denn für diesen Film das cineastische Vorbild gewesen sei. Für jemanden seiner Generation sei das ganz klar: „Bang Boom Bang“, den Peter Thorwarth 1999 am anderen Ende des Ruhrgebietes realisierte. In drei Sequenzen nehme er darauf Bezug.

Der Film hat sich durch Crowdfunding finanziert

Richtig spannend wird’s, wenn bei einer Parallelmontage der Sohn beim Kneipenfünfkampf gegen seinen Kumpel (der Sieger darf zum Vorstellungsgespräch) und der Vater gegen die Unsympathen vom Controlling der Firma auf der Kegelbahn antreten.

Am Schluss stehen dem Papa dicke Schweißtropfen auf der Stirn – aber da geht es um viel mehr.

2000 Euro neben vielen Sachleistungen und einer Förderung der Sparkassenstiftung waren bei einem Crowdfunding im Vorfeld zusammen gekommen, ohne die die Produktion undenkbar gewesen wäre. Deshalb wird auch der Abspann so lang. Ein Fahrzeugbauer aus dem Schwabenland zählt allerdings nicht zu den Sponsoren, obwohl das Erkennungszeichen der Marke wiederholt in Großaufnahme zu sehen ist.