Witten. Für Wittens Grüne gab‘s bei der Europawahl eine Klatsche. Sie verloren zweistellig, schnitten aber noch besser als andernorts ab. Das hat Gründe.
Die Grünen sind bei der Europawahl in Witten zweistellig abgestürzt. Trotz dieser Verluste stehen sie unterm Strich aber noch besser da als manche Ortsgruppe in anderen Städten. Professor Lukas Stötzer von der Universität Witten/Herdecke weiß, warum.
Grüne in Witten vor AfD
Die Fakten: Die Grünen erzielten in Witten knapp 14,9 Prozent Stimmen. Vor fünf Jahren hatten sie noch 25,6 Prozent eingefahren. Trotz der hohen Niederlage schnitten sie noch um rund 1,9 Prozentpunkte besser als auf Kreisebene ab. Damit belegt sie Platz drei hinter CDU und SPD – und liegt vor der AfD.
Wo Absturz der Grünen noch gemildert wurde
Ruhrgebietsweit betrachtet, gehört Witten wie Dortmund, Bochum und Mülheim zu den Städten, in denen die Grünen am besten abschnitten. Das „städtische Umfeld“ von Witten habe den Sinkflug abgemildert, analysiert Stötzer. Dazu komme, dass die Stadtbevölkerung im Vergleich zu anderen Revierstädten als eher wohlhabend gelte. Das Wahlergebnis der Grünen spiegele das Nord-Süd-Gefälle im Ruhrgebiet.
„Die Mieten sind nicht sonderlich hoch. Es gibt keine Wohnraum-Probleme.““
Das grüne Wähler-Milieu sieht Stötzer vor allem im Umfeld der Universität: Dort seien zwar lediglich 3200 Studierende eingeschrieben. Darunter seien aber viele junge Frauen und Männer, die nach Witten gezogen sind. „Die Mieten sind nicht sonderlich hoch. Es gibt keine Wohnraum-Probleme. Und die Netzwerke und Gemeinschaften baut man sich einfach vor Ort auf“, fand der Forscher heraus.
„Einigen Studierenden gefällt es hier so gut, dass sie dableiben.““
Dazu komme, dass sich auffällig viele Studierende „engagiert in die Stadtgesellschaft einbringen“. Laut Stötzer haben sie das Gefühl, „dass sie hier noch etwas bewegen können“. Das wirke sich „auf das ganze politische Umfeld aus“. Der Professor weiter: „Einigen Studierenden gefällt es hier so gut, dass sie dableiben.“
AfD stark in Wittens Innenstadt
Umgekehrt hat auch die AfD Ausrufezeichen gesetzt – etwa im Wahllokal Café Schelle in Witten-Annen. Dort toppte sie die Liste mit knapp 30 Prozent der Stimmen – weit vor CDU, SPD und Grünen. Stadtweit legte die rechte Partei um knapp vier Prozentpunkte auf 13,1 Punkte zu. Was trieb Wahlberechtigte in Witten zur AfD?
„Die Inflation trifft vor allem Haushalte mit geringem Einkommen.““
Lukas Stötzer sieht einen Zusammenhang zwischen sozialer Belastung und Wahlverhalten. Er beruft sich auf den jüngsten städtischen Sozialbericht. „Da hat sich gezeigt, dass die soziale und finanzielle Belastung überdurchschnittlich hoch ist in der Mitte der Stadt, ausfasernd nach Norden und nach Süden“, sagt der Politikprofessor. „Die Inflation trifft vor allem Haushalte mit geringem Einkommen.“
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Die SPD hingegen musste ein weiteres Mal ein schwaches Ergebnis hinnehmen – ausgerechnet in einer Region, die einst als Herzkammer der Sozialdemokratie galt. Die Genossen büßten in Witten 1,7 Punkte ein. Ihr Zuspruch reichte gerade noch für 21,7 Prozent – auch wenn der Wert verglichen mit den SPD-Ergebnissen in Land und Bund noch hoch sein mag. Woran krankt die SPD?
Stadt bedankt sich für Wahlbeteiligung
Die Stadt Witten freut sich über die Wahlbeteiligung bei der Europawahl. „„Die Wahlbeteiligung bei Europawahlen hatte in Witten einen ebenso positiven Verlauf wie im Bundesdurchschnitt“, sagt Wahlleiter Michael Muhr.
Bürgermeister Lars König wendet sich insbesondere allen Helferinnen und Helfern. „Ganz herzlich danke ich allen, die sich im Rahmen der Europawahl an der Durchführung beteiligt haben.“ Nur durch das Engagement von vielen Mitarbeitenden der Verwaltung sowie mit der Hilfe von 570 ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und -helfern habe diese Wahl gelingen können. Und das so gut wie reibungslos. Nach Angaben der Stadt musste kein Wahlbezirk erneut ausgezählt werden.
Der Partei breche der vorpolitische Bereich weg, so Stötzer. Verbände wie Gewerkschaften und Awo hätten an Bindungskraft für die Partei verloren – „vor allem in der jüngeren Generation“.
CDU profitiert von Oppositionsarbeit in Berlin
Den Wahlerfolg der CDU sieht der Wissenschaftler eher durch erfolgreiche Arbeit auf Bundesebene begründet. Wer mit der Regierung unzufrieden sei, habe sich zumeist der größten Oppositionspartei zugewendet. Stötzer: „Da würde ich nicht sagen, dass das etwas mit der kommunalen Politik zu tun hat.“