Witten. Das Kriegstrauma belastet auch die Generation der Enkel noch. Davon erzählt der eindrucksvolle Roman der Wittener Autorin Marianne Luise Koch.
Als sie mit ihrem letzten Buch auf Lesereise ging, schrieb eine Zeitung: „Die bekannte TV-Ärztin Marianne Koch kommt zur Lesung“. Das soll nun nicht noch einmal geschehen. Deshalb hat die Wittener Autorin ihrem ersten Roman auch noch ihren zweiten Vornamen hinzugefügt. „Ich muss aufpassen, dass ich es nicht vergesse“ von Marianne Luise Koch ist jetzt vom Verlag Edition Contra-Bass auf den Markt gebracht worden.
Die Vormholzerin schreibt schon seit ihrer Kindheit. „Ich habe mir stets Dinge notiert, das Schreiben war schon immer meine große Leidenschaft“, sagt sie. Das Schreiben und das Lesen: „Ich brauche Bücher, wie andere Leute Zigaretten.“ Aus ihren Arbeiten sind bislang mehrere Bücher entstanden, ein Gedichteband, ein lyrisch anmutendes Reisetagebuch und zuletzt Kurzgeschichten. Mit ihrem neuen Werk wagt sich die heute 67-Jährige an ihren ersten Roman. Allerdings einen mit einem stark biografischen Hintergrund.
Wittenerin hat als Sprachlehrerin gearbeitet
In „Ich muss aufpassen, dass ich es nicht vergesse“ erzählt Koch die Geschichte von Carla, die sich vom bedrückenden Erbe ihrer traumatisierten Familie befreien will. Der Schrecken der Kriegserlebnisse, die Andeutungen und das Schweigen der Eltern, die Unnahbarkeit der Mutter: An all dem trägt Carla schwer. Es bestimmt ihr Lebensgefühl, so lange bis sie beginnt Fragen zu stellen und zu erinnern statt zu verdrängen.
Vieles davon hat die Wittenerin, die als Sprachlehrerin und Sonderpädagogin gearbeitet hat, selbst so erlebt. „Ich habe begonnen, meine Kindheitserinnerungen aufzuschreiben, aber das ist bestimmt schon 20 Jahre her“, sagt sie. Für ein Buch hätten die Versatzstücke aber lange nicht getaugt. „Ich hatte zwar Lokalkolorit, aber keine Story.“ Das änderte sich, als Marianne Koch Sabine Bodes Bestseller „Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation“ las. Denn da habe sie begriffen, dass die Traumata der Eltern an die Folgegenerationen weitergegeben werden, dass es eine Heilung davon nur durchs Erinnern geben kann. „Und dann hatte ich plötzlich doch die Geschichte für mein Buch.“
Verschiedene Zeitebenen werden verschachtelt
Koch verknüpft die Kindheitserinnerungen nun mit den Erlebnissen der Elterngeneration in den 30er- und 40er-Jahren. Unkommentiert verschachtelt sie die Episoden aus verschiedenen Zeitebenen miteinander, erzählt von Gräueltaten im Krieg, von gemütlichen Ferientagen bei der Oma in Gelsenkirchen, von familiärer Gewalt, von Lieb- und Sprachlosigkeit, vom Scheitern ihrer Ehe und dem Tod der Eltern. Unverbunden, nicht chronologisch – und doch entsteht beim Leben ganz klar die bewegende Geschichte einer Familie – und das Bild einer Frau, die zeitlebens darunter zu leiden hatte.
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Doch trotz der biografischen Nähe geht es der Autorin nicht darum, ihre eigene Vergangenheit zu verarbeiten. „Das Erzählte ist übertragbar, das habe nicht nur ich so erlebt“, betont sie. Denn das mache schließlich Literatur aus – das gelte von Thomas Mann bis Dörte Hansen. „Sie ist nur relevant, wenn sie etwas im Leser berührt und zum Klingen bringt, wenn sie etwas mit ihm zu tun hat.“
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Das ist Marianne Luise Koch mit ihrem ersten Roman zweifellos gelungen. Und das wird sie vielleicht auch mit ihrem nächsten Buch erreichen, der Entwurf dafür liegt schon in der Schublade. Darin wird es ebenfalls um eine Rückschau gehen, um Lebenswege. Doch die Autorin verspricht: „Das wird nicht so schwerer Stoff sein.“
Marianne Luise Koch: Ich muss aufpassen, dass ich es nicht vergesse. Edition Contra-Bass, 15 Euro. Lesung am 24. März um 19.30 Uhr in der Leseinsel, Brenscheder Str. 60a in Bochum.