Gladbeck. . Eine Reise in die (eigene) Vergangenheit unternahmen die Besucher im Lesecafé zusammen mit Autorin Sabine Bode.
Es war in Gladbeck so wie überall, wenn Sabine Bode aus ihren Büchern vorliest: Der Lesesaal der Stadtbücherei war bis auf den letzten der aufgestellten Stühle besetzt. Die Kölner Journalistin (Jg.47) ist hier keine Unbekannte, war sie doch bereits zum dritten Mal in Gladbeck, um diesmal aus ihrem Buch „Kriegsenkel – Die Erben der vergessenen Generation“ vorzulesen.
Im Jahr 2008 hatte sie „Die vergessene Generation - Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“ und 2015 „Nachkriegskinder – Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter“ vorgestellt.
Geboren zwischen 1960 und 1975
Nun also die Enkel. Es geht dabei um die Generation der zwischen 1960 und 1975 Geborenen, von denen viele das Gefühl haben, nicht genau zu wissen, wer sie und was ihre Ziele sind. Schon der Altersdurchschnitt des Publikums bestätigte eine der Thesen von Sabine Bode, denn es fanden sich – bis auf wenige Ausnahmen – Zuhörer und Zuhörerinnen aus der Kriegs- und Nachkriegsgeneration an diesem Abend im Lesesaal ein. Vielleicht wollten sie etwas über ihre Kinder und Enkel erfahren.
„Im Rentenalter werden Traumata nicht mehr durch Beruf und Arbeit überdeckt, zugleich tritt das Langzeitgedächtnis in den Vordergrund“, weiß Bode aus ihrer Erfahrung durch viele Gespräche mit unterschiedlichen Generationen.
Sabine Bode las ein Kapitel aus ihrem Buch, in dem Ulrich Schrader (Pseudonym), ein heute 45-jähriger Maler, das Klima in seinem Elternhaus als eine „stillstehende graue Sauce“ bezeichnet. Angst vor Veränderung sei ein wesentliches Merkmal dieser Generation, die von den Kindern eher unbewusst wahrgenommen worden sei.
Eine zweite Geburt
Sabine Bode schreibt dazu: „Dass Ulrich Schrader als junger Mensch die Welt der Farben und Formen entdeckte, muss für ihn so etwas wie eine zweite Geburt gewesen sein. So vital kann nur jemand malen, der in sich einen unverwüstlichen Kern entdeckt hat.“
Mutmaßlich ein Drittel der Kriegskindergeneration habe Beeinträchtigungen, die sie in ihr Leben mitgenommen und meist niemals aufgearbeitet hätten, erklärt Sabine Bode, „alles, was unverarbeitet ist, wird an die nächste Generation weitergegeben“ weiß die Autorin aus ihren Recherchen. „Meine Eltern wissen gar nicht, wer ich bin“, heißt es dann häufig von den Kindern.
Die Enkel stellen die Fragen
Die Enkel sind es, die diese Fragen endlich stellen, weil sie mehr über ihre Eltern und ihre Großeltern erfahren wollen und weil das gesellschaftliche Klima sich inzwischen verändert hat. Nach so vielen Jahren des Schweigens ist dies eine hoffungsvolle Entwicklung, wobei Bode deutlich macht, dass die häufig von den nachfolgenden Generationen beklagten schweigsamen 50er Jahre nichts mehr als ein Schutz – auch für sie – gewesen seien: „Wir hätten das nicht verkraftet, zu diesem Zeitpunkt zu erfahren, dass es eine Zeit gab, in der das Schlechteste im Menschen belohnt wurde.“