Witten. Die Politik in Witten macht sich erneut für eine Psychiatrie in der Stadt stark. Warum sich auch Ärzte für eine örtliche Versorgung einsetzen.

Der Haupt- und Finanzausschuss hat sich am Montagabend einstimmig für eine eigene Psychiatrie in Witten am Evangelischen Krankenhaus ausgesprochen. Den Dringlichkeitsantrag hatten nach einem interfraktionellen Treffen SPD, CDU, die Grünen, das Bürgerforum+, Piraten, Linke, FDP sowie WBG auf den Weg gebracht. Die Stadt und die lokale Politik unterstützen - wie schon 2019 - fraktionsübergreifend eine eigene stationäre und ambulante Psychiatrie-Versorgung für Witten.

Die Resolution beinhaltet einen Appell an die NRW-Landesregierung, im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen „eine außergerichtliche, einvernehmliche Regelung herbeizuführen“, die eine Realisierung des Psychiatrie-Projektes in Witten ermögliche. Hintergrund: Die Evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, zu der das EvK Witten gehört, verklagt derzeit das Land, das dem Herdecker Gemeinschaftskrankenhaus im November 2019 die Versorgung Wittener Psychiatrie-Patienten zugesprochen hatte.

NRW-Gesundheitsministerium hatte den zusätzlichen Bettenbedarf für Witten errechnet

Im EN-Kreis und besonders in Witten bestehe seit langer Zeit eine starke Unterversorgung im Bereich der stationären Psychiatrie, heißt es in der Resolution. Nach einer Berechnung des NRW-Gesundheitsministeriums vom April 2019 bestehe ein zusätzlicher psychiatrischer Bettenbedarf in Höhe von 79 stationären Betten und 21 Tagesklinikplätzen. Besonders gravierend sei die Unterversorgung psychiatrisch erkrankter alter Menschen, wird in der Resolution kritisiert.

Im Haupt- und Finanzausschuss betonte SPD-Ratsherr Christoph Malz, dass es nicht um „Witten first“ gehe, sondern darum, den psychiatrischen Behandlungsbedarf zu decken. Ulla Weiß von den Linken, gelernte Krankenschwester, sagte, dass angesichts der Corona-Pandemie auch zunehmend junge Menschen psychisch erkrankten. Dazu verstärke die Pandemie bereits vorhandene psychische Erkrankungen.

Ärztesprecher: Die tagesklinische Versorgung in Witten ist eine Katastrophe

Heinz-Werner Bitter, Geschäftsführer des EvK Witten, möchte auf dem Klinikgelände an der Pferdebachstraße die zusätzlichen Psychiatrie-Plätze schaffen. Angesichts des Bedarfs stehe dies nicht im Widerspruch zu dem Bettenausbau des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke. Auch die Ärztliche Qualitätsgemeinschaft (ÄQW), ein Zusammenschluss der niedergelassenen örtlichen Medizinern, macht sich für eine psychiatrische Klinik stark. Auch mit Blick auf den von April auf Juni verschobenen Start der stationären Versorgung der Wittener am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke sagte ÄQW-Sprecher Dr. Arne Meinshausen: „Wir fühlen uns von der Landespolitik und der Herdecker Klinik hingehalten und getäuscht.“ Die tagesklinische Versorgung in Witten sei eine Katastrophe. „Da gibt es eine lange Warteliste.“ Auch Wittens Apothekensprecherin Dorothee Werner betonte: „Eine eigene Psychiatrie ist wünschenswert für unsere Stadt.“

In Arztpraxen und Apotheken in Witten werden Unterschriftenzettel ausgelegt

Mit einer Petition, die die Wittener Siegmut Brömmelsiek und Lea Banger angestoßen haben, können sich auch Bürger für eine psychiatrische Klinik aussprechen. Unterschriftenzettel sollen in Wittener Arztpraxen und Apotheken ausgelegt werden. Diese können an der Information im EvK abgegeben werden. Auch online kann man sich für eine Psychiatrie stark machen: kurzelinks.de/witten