Witten. Psychiatriepatienten aus Witten sollen künftig in Herdecke versorgt werden. Witten bekommt keine eigene Station. Das EvK will eventuell klagen.
Die jüngsten Befürchtungen werden wahr. Witten geht im Ringen um eine neue Psychiatrie leer aus. Das Gesundheitsministerium hat entschieden, dass das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke die Pflichtversorgung für die gesamte Stadt Witten übernehmen soll. Dafür soll das dort bestehende Angebot erweitert werden. Witten bekommt nicht einmal die schon früher beantragten 16 Betten für eine neue gerontopsychiatrische Abteilung.
„Mit Blick auf das Interesse der Patienten war es wichtig, eine Lösung zu finden, die eine qualitativ hochwertige wohnortnahe Versorgung sicherstellt und zeitaufwändige Anfahrtswege vermeidet“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, das bislang nur zu einem geringen Teil mit der Pflichtversorgung für Witten beauftragt war, sei „in kürzerer Zeit von Witten aus erreichbar“. Bisher mussten die Betroffenen aus Witten meist nach Hattingen-Niederwenigern fahren, was ein Hauptargument der Befürworter einer neuen Psychiatrie in Witten war.
Versorgung im EN-Kreis möglichst schnell befriedigen
Dagegen begründet das Gesundheitsministerium seine Ablehnung eines Neubaus auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses in Witten auch damit, dass der dringende zusätzliche Behandlungsbedarf in der stationären psychiatrischen Versorgung im EN-Kreis möglichst schnell befriedigt werden solle. Das sieht das Ministerium am ehesten durch zusätzliche Kapazitäten in den bestehenden Einrichtungen verwirklicht.
Auch interessant
„Ein Aufbau einer neuen Betriebsstelle in Witten“ durch das EvK wäre hingegen „mit erheblichen finanziellen Investitionen für das Krankenhaus und Zeit für alle Beteiligten verbunden gewesen“, heißt es in der Mitteilung aus Düsseldorf. Nicht nur eine neue Psychiatrie fällt im Ministerium durch. Auch die ursprünglich vom Krankenhaus beantragte gerontopsychiatrische Abteilung sei „im derzeit geltenden Krankenhausplan nicht vorgesehen und daher abzulehnen“.
Für EvK-Geschäftsführer Heinz-Werner Bitter ist die Entscheidung gegen Witten eine große Enttäuschung. „Für die psychiatrische Versorgung in Witten bedeutet sie ganz klar einen Rückschritt“, sagt er.
Das Ministerium selbst habe den dringenden Bedarf von 79 vollstationären und 21 teilstationären Plätzen für die Stadt selbst erkannt, so Bitter. „Und das EvK wäre bereit gewesen, einen modernen Neubau für 18 Millionen Euro zu finanzieren – das ist nun nicht mehr möglich. Nun müssen wir sehen, was passiert.“
Auch interessant
Die vom Ministerium im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke genehmigte Erweiterung des bestehenden Angebots um 40 vollstationäre Betten und 15 teilstationäre Plätze hält der EvK-Geschäftsführer angesichts der Zahlen, die das Ministerium selbst für Witten ermittelt hatte, für nicht ausreichend. Es sei daher fraglich, ob Herdecke dem Auftrag, die Pflichtversorgung für ganz Witten zu übernehmen, wirklich gewachsen sei. „Zumal Herdecke keine gerontopsychiatrischen Erfahrungen hat.“
„Es werden viele enttäuscht sein“
Bitter bedauert, dass die vielen Initiativen der Politik, der Ärzte und der Bevölkerung für eine Psychiatrie in Witten ins Leere gelaufen sind. „Es werden viele enttäuscht sein.“ Er hofft, dass die Aktivitäten für die Stadt weitergeführt werden – und behält sich selbst weitere Schritte vor: „Die rechtliche Prüfung des Bescheids läuft.“
Auch interessant
Bei einem möglichen Widerspruch gegen die Entscheidung hätte er die Ärzteschaft hinter sich. „Wir werden Herrn Bitter ermutigen, gegen den Bescheid zu klagen“, sagt Dr. Arne Meinshausen, Geschäftsführer der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW). Es werde zudem erwogen, eine Petition zusammen mit dem Rat der Stadt einzureichen.
Dennoch betrachte er den Bescheid „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Meinshausen. Denn Herdecke sei schon deutlich besser zu erreichen als Hattingen-Niederwenigern. „Gut, dass die Versorgung in Niederwenigern vom Tisch ist. Dahingehend kann man von einer kleinen Verbesserung für die Wittener Patienten sprechen.“ Optimal wäre aber eine Versorgung in der Stadt selbst.
Auch interessant
Auch interessant
Das sieht Bürgermeisterin Sonja Leidemann genauso. Die Entscheidung des Ministeriums sei überhaupt nicht nachzuvollziehen. „Mir ist völlig unverständlich, warum man den Kompromiss des EvK nicht akzeptiert und die Versorgung stattdessen nach Herdecke gegeben hat“, so die enttäuschte Bürgermeisterin. Das gehe ganz eindeutig zu Lasten der Stadt. „Die Entscheidung ist eine Entscheidung gegen Witten!“ Das EvK hatte 50 vollstationäre Betten und 20 Tagesklinikplätze als Kompromiss vorgeschlagen.
Leidemann betont, sie habe alle ihr möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die Psychiatrie nach Witten zu holen. Auch bei einer Klage gegen den Entscheid sei sie dabei. Ob die noch etwas ändern wird? „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so die Bürgermeisterin. „Und bei der Krankenhausbedarfsplanung im nächsten Jahre kommt das Thema wieder auf den Tisch.“
In Herdecke herrscht dagegen Erleichterung über die Nachrichten aus Düsseldorf: „Wir freuen uns, weil der Entschluss im Sinne der Patientinnen und Patienten ausgefallen ist“, sagt Christian Klodwig, Geschäftsführer des Gemeinschaftskrankenhauses, „nämlich eine wohnortnahe, hochwertige Versorgung mit verlässlichen und bewährten Strukturen sicherzustellen. Davon profitieren sowohl die Bevölkerung der Stadt Witten als auch die Menschen in den umliegenden Orten.“
Lesen Sie dazu auch: Abgeordnete kritisieren Wittener Psychiatrie-Entscheidung