Witten. Vor acht Jahren machte der Edeka dicht, nun folgt die Bäckerei Mohr. Damit stirbt der Wittener Stadtteil Auf dem Schnee ein bisschen weiter aus.

Nachdem vor acht Jahren der Edeka-Markt auf dem Schnee in Witten geschlossen wurde, gibt nun auch der Bäcker Mohr seine Filiale im Ortsteil auf. Firmenchef Thomas Mohr glaubt nicht länger daran, dass die Nahversorgung im Städtedreieck Witten, Herdecke und Dortmund wieder auf die Beine kommt. Am Mittwochvormittag (16.6.) wird Verkäuferin Petra Manche zum letzten Mal Nussecken, Brot oder Franzbrötchen verkaufen. Dann schließt sie nach 18 Jahren hinter der Kuchentheke den Laden für immer.

Der ältere Herr ist regelrecht fassungslos. „Das gibt’s doch nicht, die machen zu“, sagt der Annener Wolfgang Vaupel, nachdem er zum letzten Mal Brötchen auf dem Schnee gekauft hat. Seit Jahren komme er „wegen der Qualität und der guten Preise“ zweimal pro Woche zur Bäckerei Mohr. Er bedauert die Schließung. Der Laden lief doch, auch ohne Edeka.

Ist es das Ende von Ende?

Ihr vorletzter Arbeitstag: Petra Manche arbeitet seit 18 Jahren als Verkäuferin in der Bäckerei Mohr auf dem Schnee.
Ihr vorletzter Arbeitstag: Petra Manche arbeitet seit 18 Jahren als Verkäuferin in der Bäckerei Mohr auf dem Schnee. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Tatsächlich ist das Geschäft an diesem Vormittag gut besucht. Allesamt kommen Stammkunden. Am Mittwoch, wenn Markttag im Ort ist, werden es weit mehr sein. Das bestimmende Thema ist das „Ende vom Ende“ – warum ziehen sich immer mehr Geschäfte aus dem Ortsteil zurück?
Helena Demtröder, die weiterhin ihre Apotheke betreibt, schimpft: „Das ist ein Totalversagen der Politik. Die Unterversorgung im Stadtteil wird bewusst ignoriert.“

Pläne für Neubau scheiterten

Nach dem Rückzug von Edeka 2013 hatte Immobilieneigner Harpen immer wieder Hoffnung gemacht. Ende Oktober war der letzte Investor abgesprungen. Der Markt sollte abgerissen und ein Neubau mit zehn Wohnungen und Nahversorgung entstehen. Wegen der Pandemie unterschrieb der Investor – man munkelt, es wäre Netto – doch nicht.

„Wir haben jetzt acht Jahre lang durchgehalten“, sagt Bäckerei-Chef Thomas Mohr. Nun gibt die Dortmunder Bäckerei ihren ältesten Standort „schweren Herzens“ auf. Diese Entscheidung sei kurzfristig gefallen: Da ist der Personalmangel am Dortmunder Hauptstandort, „ich finde keine Leute mehr“, die schwache Ferienzeit steht vor der Tür. Eine der beiden Wittener Verkäuferinnen geht nun dorthin. Die Filiale auf dem Schnee hätte man umbauen müssen, seit 2019 ist der Brötchen-Ofen kaputt. Die Zahl der Kunden habe stetig abgenommen. Zuletzt blieben die belegten Brötchen liegen – während des Home Office holt keiner mehr einen Snack fürs Büro.

Auf dem Schnee ist Kaufkraft

„Die Filiale lief nach dem Weggang von Edeka nicht mehr kostendeckend. Wir haben sie immer subventioniert, in der Hoffnung, es tut sich dort noch irgendwas“, so Mohr. Viele Kunden hätten sich zum Rewe in Herdecke orientiert, auch die Neuansiedlung des großen Backhauses Horsthemke an der Ardeystraße habe man gespürt. Dabei sei der Standort Schnee kein schlechter: „Auf dem Schnee ist Kaufkraft. Und die Kunden sind treu.“

Konkurrenz an der Ardeystraße

Im Juli 2020 eröffnete die Oberhausener Bäckereikette Horsthemke ein großes Backhaus an der Ardeystraße 224, nahe der Sparkasse und der Holzkamp-Gesamtschule. Zuvor wurde das Chinesische Restaurant Entenhaus an gleicher Stelle abgerissen.Das moderne Gebäude mit großem Café bildet eine Konkurrenz zu anderen kleinen Filialen. Nicht nur die Bäckerei Mohr auf dem Schnee hat die Konkurrenz gespürt. Auch die Bäckerei Westermann hat den nahen Standort Kohlensiepen verlassen und an der Holzkampstraße neu eröffnet.Die Dortmunder Bäckereikette Mohr hat nun keine Filiale mehr in Witten. Geschlossen wurde bereits der Standort im Centro Vital in Annen.

Petra Manche gibt derweil weiter ihre Käsebrötchen und Tortenstücke aus. Sie ist sichtlich frustriert über die Entwicklung. Ganz kurzfristig, erst am Wochenende habe die 58-Jährige von der Geschäftsaufgabe erfahren. Sie will sich nun eine neue Stelle suchen. Ihre Kunden informiert sie persönlich, einen Aushang gibt es nicht. „Ich stehe hier seit 18 Jahren, sogar jeden Sonntag, die kenne ich doch persönlich.“ Selbst mit verkürzten Öffnungszeiten und wenig Personal habe der Laden funktioniert. „Mir tut es vor allem um die Leute leid. Die haben jetzt nichts mehr auf dem Schnee.“