Witten. Erfolgsrezept „Click & Meet“? Dem Shoppen auf Termin gehört die Zukunft, zeigen die Einzelhändler Vit Bikes und Zwergperten aus Witten.
„Click & Meet“ - das Öffnen nach Terminvergabe - ist für viele Wittener Einzelhändler ein Notnagel in der Corona-Krise. Dabei gibt es Geschäfte in Witten, die dauerhaft nach diesem System arbeiten und damit sehr erfolgreich sind: Etwa der Kindersitzspezialist „Zwergperten“ oder der E-Bike-Händler „Vit-Bikes“. Beide haben sich an der Pferdebachstraße und bewusst nicht in der Innenstadt niedergelassen. Das ist ein Einzelhandelsmodell der Zukunft - so die Industrie- und Handelskammer.
Sowohl Vit-Bikes als auch Zwergperten sind Niederlassungen von Franchise-Händlern, also eines Vertriebssystems, bei dem Neuunternehmer ein etabliertes Geschäftskonzept gegen eine Gebühr nutzen dürfen. Die Kunden informieren sich dabei online, buchen meist einen Termin über das Buchungsportal des Dachunternehmens. Die ausführliche Beratung und der Verkauf finden dann im Ladenlokal statt. Das System läuft offenbar gut: Bei unserem Besuch bei den Zwergperten geben sich die Kunden die Klinke in die Hand. Und Thorsten Guhr hat, obwohl sein Fahrradgeschäft in diesen Tagen neu eröffnet, schon 80 Terminanfragen vorliegen.
Aus der City an den Rand der Innenstadt gezogen
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Die Zwergperten verkauften ihre Kindersitze vorab im Wiesenviertel in der Innenstadt, nach klassischem Prinzip. „Das war eine Katastrophe“, sagt Berater Martin Witt. „Unsere Kunden haben keine Parkplätze gefunden, manchmal knubbelte es sich im Laden. Man kann nicht vernünftig beraten, wenn zeitgleich zwei andere Familien mit Baby warten.“ Im Juni 2020 kam der Wechsel: Der Cityladen wurde geschlossen, eine neue Filiale eröffnete an einem Standort, der auf dem ersten Blick alles andere als verkaufsfördernd scheint: An der Pferdebachstraße 84b, auf dem Gelände des einstigen Saunagartens Brotkorb. In zweiter Reihe, durch die Dauerbaustelle sieht man nicht mal die Beschilderung.
„Am wichtigsten ist die nahe Autobahnanbindung und dass die Kunden vorm Laden parken können“, sagt Martin Witt. Das Öffnen nach Terminvergabe werde dankbar angenommen. „Davon werden wir auch nach Corona nicht mehr abrücken.“ Gerade die Beratung sei der Schlüssel zum Erfolg: „Diese Qualität haben wir dem Online-Handel voraus.“
IHK-Expertin: Trend zum personalisierten Shopping wird wachsen
Der Trend zum personalisierten Shopping auf Termin wird sich fortsetzen und teilweise auch zu Lasten der City gehen, ist Jenni Duggen von der für Witten zuständigen IHK Mittleres Ruhrgebiet überzeugt: „Die Beratung ist doch der Mehrwert, den der stationäre Einzelhandel bieten kann.“ Gerade wenn man spezifische Ware verkaufe, brauche man die „Hochfrequenz-1a-Lage“ der Innenstädte nicht. Das zeige sich sogar bei Modeläden, die nach Terminbuchung den Kunden persönlich betreuen.
„Witten ist mit Fahrradhändlern unterversorgt“
Bei Vit Bikes sind die Räder gerade frisch in den Showroom eingezogen. E-Bikes der Marken Kalkhoff, Husqvarna und HNF Nicolai wird das vierköpfige Team rund um Thorsten Guhr hier ab Donnerstag (18.3.) verkaufen. Die Räder kosten zwischen 3000 und 10.000 Euro - bei diesen Summen sei den Kunden eine gute Beratung viel wert. Vit Bikes bietet dazu zum Beispiel eine Körpervermessung mit Schwerpunkt auf Ergonomie.
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Vierter Fahrradladen für Witten
Drei Fahrradhändler kümmerten sich bislang um die wachsende Zahl an Radfahrern in Witten: „Metal Motion Bikes“ in Herbede, „Ebis Fahrradservice“ an der Hauptstraße und Uwe Fielicke mit seinem Geschäft an der Ardeystraße. Außerdem kann man Räder bei dem Beschäftigungsprogramm der Wabe in der Radstation (Hauptbahnhof) und im Radcafé (Augustastraße) warten lassen.
Vit Bikes verkauft ausschließlich E-Bikes, vor allem Trecking- und Stadträder. Einige E-Mountainbikes sollen noch folgen, eventuell Lastenräder. Eine Werkstatt gibt es auch. Kontakt: Pferdebachstraße 84b, geöffnet Di bis Sa, 10 bis 18 Uhr. Kontakt: witten@vitbikes.de
Für seinen eigenen Fahrradladen hat der studierte Betriebswirt sein Leben umgekrempelt. Weg von der Stelle im Großkonzern hin zur Selbstständigkeit. „Ich glaube, Witten ist mit Fahrradhändlern unterversorgt“, sagt der 40-Jährige. Und betont, dass er auch aus patriotischen Gründen seine Filiale in seiner Heimatstadt eröffnen wollte. Der Standort war dabei nebensächlich, nur die teuren Mieten in der Innenstadt wollte er nicht zahlen.
Das Aus für die Fußgängerzone bedeute dieser Trend aber nicht, so die IHK. „Es gibt noch genügend Geschäftstypen, die Frequenz brauchen, wie der Buchhandel oder die Gastronomie“, sagt Jenni Duggen. Entscheidend für ein vitales Geschäftsleben sei aber die Höhe der Mieten - und da müsse sich in Witten einiges tun. Wenn die Lage an Bedeutung abnimmt, dann, so die Expertin, sind „Preise wie 1980 sind nicht mehr das Gesetz der Stunde.“