Witten. Der Pleßbach ist nicht die Ruhr. Doch der kleine Bach bei Witten stieg während des Starkregens im Juli meterhoch an. Ein Grund: die nahe A 43.
Der Starkregen hat viele Bereiche Wittens geflutet, auch das Hammertal. Hier war der Pleßbach über die Ufer getreten und hat mit großer Wucht Produktionshallen und Wohnhäuser überschwemmt. Wie konnte ein Bach, der sonst nur wenige Zentimeter misst, meterhoch ansteigen? Offenbar verschärfte der Ablauf von der nahen A 43 die Flutwelle. Die Autobahn wurde ohne Regenrückhaltesystem erbaut.
Beschaulich, glasklar und etwa 20 Zentimeter tief schlängelt sich der Pleßbach am Mietshaus von Indra Jasinski und Svenja Hanusch vorbei. Unvorstellbar, dass der Bach zu dem reißenden Gewässer anschwillt, das die Wittenerinnen am Nachmittag des 14. Juli heimsuchte. Ihre Autos konnten sie retten, die Hühner, die sie aus dem Stall zerrten und in ein altes Babyreisebett setzten, und die Hunde. Der Rest ist futsch, das Haus unbewohnbar. Während drinnen der Bautrockner surrt, der moderige Geruch sich hält, die Fußböden raus sind, die verputzten Wände aufgestemmt, lebt Hanusch in einem Wohnwagen. Wann kann sie wieder einziehen? „Das kann bis zu einem halben Jahr dauern.“
Ähnliches Hochwasser 2013
Heike Siewert von der Firma „HS Hundebetten“ kann noch gar nicht einschätzen, wie groß die Schäden des Hochwassers sind. Sie selbst hatte im bachnahen Teil des Firmengeländes eine Entwässerung anlegen lassen, die bei diesem Starkregen kaum nutzte. Bei HSB Hammertaler Schweißerei Bäcker drang das Wasser auf allen drei Seiten der Werkshalle ein. „Es nützt gar nichts, hier irgendetwas selbst abzudichten. Der Bach muss vernünftig ablaufen“, sagt Chef Michael Michner. Er musste seinen Urlaub abbrechen, stand fassungslos vor dem 35 cm hohen Wasser in seiner Halle und denkt nun darüber nach, mit der Firma umzuziehen. Schließlich: Ein solches Hochwasser hat man im Hammertal 2013 schon einmal erlebt.
„So geht das nicht weiter“, sagt auch André Klein von der benachbarten CNC-Fertigung. Mehrere Anwohner wurden in der Regennacht von der Feuerwehr evakuiert. Auch Uwe Müller und Galina Elkina: Das Wasser schoss mit einem solchen Druck über das Grundstück, das es beiden nicht möglich war, die wenigen Stufen zu ihrem Parkplatz hochzugehen.
Umbaupläne 2012 beschlossen
Den Behörden sind die Pleßbach-Probleme seit Jahren bekannt. 2012 entschied der Wittener Rat, den Bach in das Landesprogramm „Lebendige Gewässer“ aufzunehmen. Die Stadt erstellte daraufhin eine Planung, die bis 2027 umgesetzt sein soll. Unter anderem sollen Regenrückhaltebecken am Waldweg und auf dem Gelände der Firma Pleiger entstehen. 620.000 Euro wurden damals für den Umbau eingeplant. Der Wittener Eigenanteil steht, nur die 80-prozentige Förderung des Landes NRW fehlt bislang. Das Geld fließe erst, wenn der Kreis in Aufzeichnungen die hohen Wasserstände des Bachs belegen kann. Der Leiter der Wasserwirtschaft des EN-Kreises Wolfgang Flender hat nun den Druck erhöht und letzte Woche an das Ministerium geschrieben: „Wir hoffen, dass wir jetzt gehört werden.“
Warnsystem möglich
Doch das Projekt sei ein „ganz dickes Brett“. Zum einen sind für den kurzen Bachlauf gleich drei Kommunen zuständig. Am unteren Ende, im Hammertal, steht die Bebauung sehr dicht am Bachlauf. Zusätzlich wird auch das Niederschlagswasser der parallel laufenden A 43 mit ihrer großen Asphaltfläche in den Pleßbach geleitet. Das war nicht die Ursache für die Flutwelle am 14. Juli, habe aber „verschärfend gewirkt“, sagt Wolfgang Flender. Auch das Land NRW sei darum in der Pflicht.
Ein schneller Umbau ist folglich nicht in Sicht. Der Amtsleiter hofft aber, den Hammertalern bald ein Warnsystem bieten zu können, wie es zum Beispiel an der Elbsche in Wetter umgesetzt wird. Dort misst ein Messnetz den Wasserstand und wertet die Ergebnisse aus. Steigt das Wasser im Oberlauf zu hoch, wird gewarnt. In kritischen Situationen könne dies etwa eine Stunde sein, bevor die Flutwelle das Tal erfasst.