Witten. Mieter in Witten bekommen nun monatlich eine Info über ihren Heizkostenverbrauch – und müssen diesen „Service“ bezahlen. Doch der ist Pflicht.
Seit Anfang des Jahres gilt bundesweit eine neue Heizkostenverordnung. Auf viele Mieter in Witten kommen damit ungeachtet der ohnehin explosionsartig steigenden Energiepreise weitere Kosten zu. Vermieter dagegen rechnen mit einem enormen Arbeitsaufwand: „Das ist völliger Wahnsinn, absolut nicht nachvollziehbar“, sagt Frank Nolte, Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte.
Mit der neuen Novelle hat die Große Koalition eine europäische Richtlinie umgesetzt. Mieterinnen und Mieter sollen künftig einmal im Monat über ihren Heizenergie- und Warmwasserverbrauch informiert werden. Dafür müssen alle Mietwohnungen bis 2026 mit fernablesbaren Messgeräten ausgestattet werden, deren Daten abgerufen werden können, ohne dass der Mieter die Tür öffnen muss. Die Idee dabei: Der Mieter sieht einen Vergleich, etwa zum Vorjahr oder mit den anderen Haushalten der Wohnanlage, kann sein Verbrauchsverhalten überdenken und idealerweise schnell ändern. Die Kehrseite: Die Vermieter legen die Kosten für diesen Mehraufwand auf ihre Mieter um.
Briefe der Siedlungsgesellschaft Witten sind unterwegs
Wer ein fernablesbares Messgerät hat, ist bereits jetzt betroffen. In allen Wohnungen der Siedlungsgesellschaft (SGW) wurden vor Jahren solche Geräte installiert, die der Dienstleister Ista abliest. „Wir haben Ista jetzt beauftragt, alle Mieter anzuschreiben“, sagt Geschäftsführerin Claudia Pyras. Sie hofft, dass möglichst viele Mieter sich einverstanden erklären, die Verbrauchsinformation digital abzurufen: über eine App, ein Internetportal oder per Mail. Dieser Service koste die Mieter fünf Euro pro Jahr zusätzlich. Und was ist mit Mietern, die nicht die digitalen Möglichkeiten nutzen – etwa Ältere? „Sie bekommen dann jeden Monat einen Brief. Die Portogebühren müssen wir dabei zusätzlich umlegen“, so Pyras.
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Beim Mieterverein „Haus und Grund“ geht man bei der Briefzustellung von jährlichen Zusatzkosten von 20 bis 30 Euro aus. Das ist auf den ersten Blick nicht viel, allerdings Geld für einen Service, den viele Mieter gar nicht wollen, schätzt Petra Schmidt aus der Wittener Geschäftsstelle. „Was nützt es mir zu wissen, dass ich im letzten Februar mehr geheizt habe? Da war es ja auch viel kälter.“ Sie fürchtet, viele werden die monatliche Auflistung wohl direkt ins Altpapier befördern. Eine Verzichtserklärung darf ein Mieter nicht unterschreiben, der Vermieter muss die Informationen zustellen.
Viele Nachfragen beim Verein Haus und Grund
Inhalt der Verbraucherinformation
Die neue Verordnung gilt zunächst nur für Wohnungen, die mit fernauslesbaren Messgeräten ausgestattet sind. Ausgenommen sind nur Vermieter, die in ihrem Haus eine weitere Wohnung vermietet haben, also im Zweifamilienhaus. Die Verordnung soll nach drei Jahren überprüft werden.Die monatliche Post an die Mieter enthält folgende Informationen: Verbrauch im letzten Monat in Kilowattstunden, einen Vergleich mit dem Verbrauch des Vormonats sowie mit dem entsprechenden Monat des Vorjahres und einen Vergleich mit dem Verbrauch eines Durchschnittsnutzers derselben Nutzerkategorie.
Zahlreiche Vermieter haben sich in den letzten Wochen bei „Haus und Grund“ an der Bahnhofstraße 32 gemeldet. „Viele merken erst jetzt, was auf sie zukommt“, sagt Schmidt. Ein Problem sei, dass Vermieter aus Datenschutzgründen diese Aufgabe nicht an Dritte übertragen können. Es habe sich zum Beispiel eine Dame aus Norddeutschland gemeldet, die das Mietshaus ihrer Eltern in Witten verwaltet. Jeden Monat muss sie nun sechs Kilometer bis zu ihrem nächsten Briefkasten fahren, um die Verbrauchsauflistung abzuschicken. „Im Sinne der Umwelt ist das nicht.“
Bei der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte überlegt man zurzeit, wie man die Novelle am umwelt- und kostengünstigsten für die Mieter umsetzen kann. 1400 der 1800 Wohneinheiten seien betroffen. „Wahrscheinlich wird unser Dienstleister Ista uns die Daten zur Verfügung stellen und wir drucken dann für jede Mietspartei einen Brief“, so Vorstandsvorsitzender Frank Nolte. Er bezweifelt, dass angesichts der Altersstruktur viele der Mieter einer digitalen Version zustimmen werden. „Fakt ist: Wohnen wird immer teurer und das unabhängig von der Kaltmiete“, sagt Nolte. Mit der CO2-Bepreisung für Gas oder der neuen Heizkostenverordnung seien zwei Abgaben für Mieter hinzugekommen, „auf die wir gar keinen Einfluss haben“.
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