Langenberg. Familie Zöller wohnt in Langenberg und hat vor Kurzem eine Überraschung erlebt: Ein Oldenburger Historiker meldete einen ungewöhnlichen Fund.
Es ist ein Tag im November, als das Telefon bei Angelika Zöller klingelt – eine unbekannte Nummer ruft an. Die Langenbergerin ignoriert den Anruf. Kurz darauf klingelt es erneut, wieder die unbekannte Nummer. Wieder ignoriert sie den Anruf. „Sonntags dann ein dritter Anruf“, erzählt Angelika Zöller. „Ich habe dann doch mal abgenommen.“
Eine gute Entscheidung, wie sich später zeigt. Am anderen Ende der Leitung „war ein sehr sympathischer junger Mann“, erzählt sie. Vincent de Boer heiße er, sei Geschichts- und Kunststudent, wohne und studiere in Oldenburg. Und er habe auf einem Trödelmarkt eine alte Kiste erstanden. Darin findet er viele alte Schwarzweiß-Fotos und einen Schriftzug: Langenberg/Rheinland.
Die Online-Recherche führt nach Velbert-Langenberg

„Ich habe dann angefangen zu recherchieren“, berichtet der Oldenburger, der inzwischen als Historiker an der dortigen Universität arbeitet. Die Bildersuche einer Online-Suchmaschine zeigt ihm sehr schnell, dass auf einem der Bilder die heutige Suchtklinik in Velbert-Langenberg zu sehen ist.
„An diesem markanten Gebäude habe ich mich orientiert und konnte über Google Maps den Blickwinkel ganz gut rekonstruieren.“ So findet er die Adresse heraus, von welcher das Foto einst aufgenommen worden sein muss. Im Telefonbuch findet er dann die Nummer der Familie Zöller. Ein Glücksfall, „denn viele Leute stehen ja gar nicht mehr im Telefonbuch“.

Mehr als 100 historische Aufnahmen
Er habe dann einfach mal angerufen, „vielleicht wohnen dort ja sogar noch Nachfahren der Familie, die auf dem Foto zu sehen ist“, erzählt Vincent de Boer. Das sind Zöllers zwar nicht, interessiert sind sie dennoch. Angelika Zöller zieht ihre Tochter Pia hinzu, die kümmert sich ab dann um den Kontakt zu dem Oldenburger Historiker.
Sie recherchiert zunächst, nicht dass hinter dem Anruf doch ein Betrüger steckt. „Ich habe schnell ein Video von ihm im Internet gefunden, in dem er den Fachbereich seiner Uni vorstellt. Das hat mich überzeugt“, sagt Pia Zöller. Die beiden telefonieren, schließlich erhält sie einen Link, hinter dem mehr als hundert Fotos hinterlegt sind. Was darauf zu sehen ist, „ist ganz toll“, schwärmen Zöllers.

Detailreiche Aufnahmen, zum Beispiel vom Bürgerhaus
Denn die Ansichten sind alt. Richtig alt. „Eins zeigt zum Beispiel das Richtfest vom Bürgerhaus“, sagt Pia Zöller. Ein anderes ein Haus, in dem offenbar ein Jubiläum gefeiert wird, ein Banner mit Jahreszahlen ist im Garten aufgespannt. Das alles legt nahe: Die Bilder sind um das Jahr 1913 herum entstanden. Und sie sind gestochen scharf.

„Ja“, sagt Vincent de Boer, „die haben damals sehr schnell die Foto-Technik perfektioniert.“ Zudem sei der Bildträger recht groß, die Glas-Negative haben das Maß 9 x 12 Zentimeter. „Dadurch konnten schon damals sehr viele Details dargestellt werden.“ Trotzdem muss er sich um die Negative kümmern, bevor er die Fotos verschicken kann.
Einblicke in den Alltag von vor 100 Jahren

„Vincent hat sich richtig Mühe gegeben“, lobt Pia Zöller. Der junge Mann wiegelt ab: „Ich habe die Glas-Negative vorsichtig sauber gemacht und dann eingescannt.“ Die Originale behält der Historiker, archiviert sie. Die Scans lädt er in ein digitales Archiv und verschickt den Link dazu an Pia Zöller. „Er hat uns auch gewarnt, dass einige der Originale wohl nass geworden wären“, erzählt sie weiter. „Wir haben daher nicht viel Gutes erwartet.“ Doch das Ergebnis übertrifft alles.
„Die Fotos sind toll und geben einen wunderbaren Einblick in das alltägliche Leben von damals.“ Frauen in langen Kleidern, Männer im guten Anzug. Die Langenberger Hügel, kaum bebaut. Das Zentrum rund um die Alte Kirche samt Fabriken. Familienbilder im Garten oder auf Ausflügen - oder eine Gruppe kostümierter Frauen zu Karneval.

Hausbesitzerin als kleines Mädchen
„Das sind Bilder, die hat nicht mal das Stadtarchiv, glaube ich“, sagt Pia Zöller. Und freut sich, dass auf vielen Bildern auch ihr Elternhaus an der Kuhstraße zu sehen ist. Ihre Mutter Angelika hebt ein Bild hervor: Es zeigt eine Mutter mit zwei Kindern an den Händen - ein Junge, etwa zehn, elf Jahre alt und ein deutlich jüngeres Mädchen.
„Dieses Mädchen ist die Frau, von der wir vor 40 Jahren unser Haus gekauft haben“, sagt Angelika Zöller. Die Dame sei damals bereits um die 80 gewesen, habe alleine in dem Haus gewohnt und es einfach nicht mehr in Schuss halten können. „Sie ist uns sehr entgegengekommen und wir sind froh, dass wir auf ihr Angebot eingegangen sind.“ Und heute ist sie sicher: „Wir möchten hier nicht mehr weg. Erst recht nicht, nachdem wir die Bilder gesehen haben.“

Ein kleines Dankeschön hat Vincent de Boer übrigens auch aus Langenberg bekommen: „Wir haben ihm einen Bildband der Tuchfühlung geschenkt, da ist ja beides drin, was ihn interessiert: Kunst und Geschichte.“ Dazu gab es eine Einladung: Wenn er mal in der Nähe sei, „würden wir ihm gerne zeigen, wie Langenberg heute aussieht“, sagt Angelika Zöller. Vincent de Boer hat sich über die Einladung gefreut, auch wenn er eher selten hier in der Gegend sei: „Aber wer weiß, wenn es mal passt ... Schauen wir mal.“

