Neviges. Ein Investor möchte auf einem freien Feld bauen, geplant sind 78 Wohneinheiten. Dagegen wehren sich erboste Anwohner mit 473 Unterschriften.
Die Straße Am Schlagbaum in Velbert-Tönisheide ist eine ruhige Wohnstraße. Auf der einen Seite Häuser, die zum Teil seit Generationen in Familienbesitz sind. Viele Bäume zieren die Straße, von der aus man einen weiten Blick in die Landschaft hat. Beides, die Sicht in die freie Natur und den alten Baumbestand, schätzen die Anwohner, und um beides wollen sie kämpfen. Denn das zwei Hektar große Feld soll bebaut werden: Der Projektentwickler „Wilma Immobilien GmbH“ möchte hier 78 Wohneinheiten errichten. Bei einer ersten Informationsveranstaltung, zu der die Stadt Velbert die Anwohner vor Ort eingeladen hatte, war nicht nur der Wind eisig, der Vertretern der Stadt Velbert und des Investors entgegenschlug.
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„Wir wollen nicht, dass hier gebaut wird.“ Mit klaren Worten übergab Samira Müller eine Petition mit insgesamt 473 Unterschriften an die Vertreter der Stadt Velbert: Das waren Tim Edler, im Fachbereich Stadtentwicklung zuständig für die Bauleitplanung Neviges, und Sonja Kötter, Fachbereichsleiterin für Stadtentwicklung. Die Stadt hatte die Anwohner eingeladen, um gemeinsam mit dem Projektentwickler Wilma über die Pläne zu informieren. Im Groben wurden diese bereits im Bezirksausschuss (BZA) Neviges vorgestellt, hier wurde im November mit einer Gegenstimme von Bündnis 90/Die Grünen auch die Aufstellung des Bebauungsplanes beschlossen.
Der Ausschuss für Stadtplanung und Mobilität stimmte der Aufstellung ebenfalls zu. Die zwei Hektar große Grünfläche ist im Flächennutzungsplan bereits als Wohnbaufläche ausgewiesen und gilt im Wohnungsbauprogramm 2022 bis 2030 der Stadt Velbert als bevorzugte Fläche. Das Feld befindet sich in Privateigentum, wie Stadtsprecher Hans-Joachim Blißenbach auf Nachfrage erklärte. Etwa eineinhalb Jahre werde es voraussichtlich dauern, bis das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen sei, es handele sich hier nicht um ein beschleunigtes Verfahren, sondern um ein Regelverfahren mit Umweltbericht. Das letzte Wort bei der Aufstellung des Bebauungsplanes wird dann der Rat der Stadt Velbert haben.
Dier weiteren Schritte
Das Bauleitplanverfahren umfasst mehrere Schritte, bis ein Bebauungsplan vorliegt. Die Veranstaltung der Stadt Velbert und der Wilma GmbH war gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ziel war es, die unmittelbar betroffenen Anwohner zu informieren und in die Planung einzubinden.
Vorgeschrieben ist laut Bauleitplanung dagegen die jetzt folgende öffentliche Beteiligung. Danach durchlaufen die Planungen diverse Ausschüsse und werden zum Schluss im Rat abgestimmt.
Wilma Immobilien GmbH, Sitz in Ratingen, baut Projekte bundesweit: Das Unternehmen besteht seit 85 Jahren. Mehr auf www.wilma.de
Investor informiert Anwohner in Velbert
Dass der Bauprojektträger die Anwohner hier vor Ort informiere, geschehe zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Bebauungsplanverfahren, betonte vor Ort auch Tim Edler. Und Andreas Häcker, Prokurist bei Wilma, sowie Projektmanagerin Sabrina Kluck wiederholten ebenfalls mehrmals: „Hier ist nichts in Stein gemeißelt.“ Die pinkfarbenen Fähnchen auf dem Feld bedeuteten nicht etwa, dass nun morgen der Bagger anrücke, sondern sollten lediglich die Standorte der verschiedenen Häusertypen zeigen, so die beiden Vertreter von Wilma-Immobilien. Insgesamt plant Wilma 78 Wohneinheiten: Fünf frei stehende Einfamilienhäuser, 28 Doppelhaushälften, 19 Reihenhäuser und zwei Mehrfamilienhäuser mit 26 Wohnungen, davon 16 öffentlich gefördert. Am Ende der Straße ist zudem ein 500 Quadratmeter großer Spielplatz vorgesehen.
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Dreigeschossige Häuser mit Satteldach
„Dass man das Gespräch sucht, ist erstmal zu begrüßen. Aber ich habe große Zweifel, ob unsere Ideen auch aufgenommen werden“, so Anwohner Frank Erdmann. Sein Haus steht am Anfang der Straße Am Schlagbaum, die Erdmanns schauen auf eine Baumgruppe, die das Feld abgrenzt. „Künftig gucke ich dann gegen eine Wand, nämlich gegen ein zwölf Meter hohes Haus.“ Dreigeschossig, mit Satteldach, so sollen die Mehrfamilienhäuser aussehen, die Wilma am Anfang der Straße plant. Frank Erdmann ist ein sachlicher Typ, gehörte an diesem kalten Nachmittag zu jenen Anwohnern, die zuhören, ihr Gegenüber ausreden lassen. Wobei unter den knapp 40 Leuten immer wieder Kritik laut wurde, dass hinten nicht alles zu verstehen war, was vorn anhand des Planes erläutert wurde. Und als Sabrina Kluck auf Nachfrage anmerkte, man wolle „die Bäume teilweise erhalten“, hat das niemanden so recht beruhigt. Da das Plangebiet an das Landschaftsschutzgebiet „Niederbergisches Hügelland“ grenzt, werde es keine dichte Bebauung geben, erläuterte die Projektmanagerin, vielmehr seien zwischen den neuen Häusern Baumreihen vorgesehen. Auch sollen die Flachdächer der Einfamilienhäuser begrünt werden.
Keine Kosten beim Straßenbau

„Warum schafft man nicht Wohnungen auf Flächen, die schon bebaut sind? Hier leben so viele Tiere, das ist so traurig, wenn alles zugebaut wird“, rief eine Anwohnerin. Einige befürchteten, dass nun hohe Kosten auf sie zukommen könnten, denn die nicht asphaltierte Straße Am Schlagbaum soll im Zuge der Bauarbeiten komplett erneuert werden. Dazu Andreas Häcker: „Diese Privatstraße wird eine öffentliche Straße, die dann der Stadt Velbert übertragen wird.“ Auch müsse man nicht befürchten, dass hier künftig gerast werde, so fügte seine Kollegin Sabrina Kluck hinzu: „Es wird eine verkehrsberuhigte Straße, keine Autobahn.“ Eine weitere Befürchtung einiger Anwohner: „Hier werden alle ihren Wagen abstellen, das wird ein riesiger Parkplatz, wenn nicht alle in den Mehrfamilienhäusern einen Stellplatz haben.“
Einfach nur traurig ist Johanne Asakura an diesem Nachmittag. Mit ihrer Familie wohnt sie nunmehr in der vierten Generation in dem schmucken Altbau, ungefähr in der Mitte der Straße. „Ich habe immer so gerne in die Bäume da drüben geschaut, diese Baumgruppe hat einfach was. Und die kommt dann weg. Den Baum hier vorne, den hat mein Opa gepflanzt, der kann hoffentlich bleiben.“ Auch Heike Bethke schaut wehmütig über das Feld: „Ich will das alles nicht. Ich liebe meinen Sonnenaufgang.“