Sprockhövel. Hassrede gehört auch an Sprockhövels Mathilde-Anneke-Schule zum Alltag. Jetzt steuert die Hauptschule gegen. Auch Eltern sind Teil des Problems.
Sie sind gerade 14 oder 15 Jahre alt und erleben schon unsäglichen Hass. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Fake News: Auch die Schüler der Anneke-Schule werden täglich mit solchen Bildern und Texten konfrontiert. Malas, Lena und Gabriela berichten, dass der Umgang deutlich roher geworden ist. „Es ist schon in der Schule passiert, dass ich als Nutte, Hure oder Schlampe bezeichnet werde“, berichtet Lena zögernd. Wie damit umgehen? Das lernen die Jugendlichen jetzt in der Schule.
Streng genommen begegnen wir den Auswüchsen von Hate Speech (Hassrede) jeden Tag in den Nachrichten: Etwa wenn sich Gewaltspiralen in Nahen Osten immer höher drehen bis zum Krieg. Oder im kleineren Kreis: Wenn etwa ein Mädchen sich in so genannten sozialen Medien Verfolgung und Beleidigung aus seinem Umfeld ausgesetzt fühlt und nur im Freitod einen Ausweg sieht. Die Mathilde-Anneke-Schule in Sprockhövel steuert dagegen: Die Kinder und Jugendlichen sollen „ertüchtigt“ werden, der Verrohung zu widerstehen. Und es gibt Erfolge.
Die Jugendlichen kennen sich in der Digitalwelt aus
Sicher kennen die fünf Gesprächspartner aus den Klassen 8a und 8b die Schattenseiten der Digitalwelt ganz genau. Täglich verbringen sie wie alle Altersgenossinnen in allen Schulformen viel Zeit bei TicToc, Instagram oder anderen Plattformen und schauen sich Videos an, lesen Kommentare dazu. Timucin berichtet von einem Beitrag, wo eine hochschwangere Muslimin mit Kopftuch kurz vor der Geburt steht. Der Kommentar dazu: „Wieder ein Terrorist mehr auf der Welt!“
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„Es gibt Eltern, die selbst nicht in der Lage dazu sind oder sich sogar selbst an Verunglimpfungen beteiligen.““
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Die Schule will helfen, ihre Schüler auch für das raue Leben draußen vorzubereiten. Schulleiter Andreas Lensing berichtet von einem Kontakt über den CDU-Ratsherrn Torsten Schulte zur Konrad-Adenauer-Stiftung, die einen Projekttag mit einer freien Journalistin organisiert hat. In der Parallelklasse war es ebenfalls ein Journalist, der Hate Speech mit den Schülern thematisierte.
„Uns wurde beigebracht, wie wir Kraftausdrücke in den Internetforen vermeiden können.““
„Wir haben dort gelernt, mit was wir da in Berührung kommen“, berichtet Erik. „Uns wurde beigebracht, wie wir Kraftausdrücke in den Internetforen vermeiden können, was alles beleidigend ist und dass das ewige Weiterdrehen solcher Provokationen und Beleidigungen am Ende meistens zu Schlägereien und Verletzungen führt“, sagt Achtklässler Timucin.
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Im Elternhaus ist die Situation längst nicht immer die, dass den Kindern dort die Problematik von Verrohung und Hassrede im Netz deutlich gemacht würde. „Es gibt Eltern, die selbst nicht in der Lage dazu sind oder sich sogar selbst an Verunglimpfungen beteiligen“, berichtet eine Lehrerin.
Beim Projekttag wurde den Schülern geholfen, Hasskommentare zu verstehen und sich Gedanken zu machen, wie diese das Miteinander online beeinträchtigen. „Wir haben gelernt, dass wir selbst in der Lage sind, Respekt und Toleranz im Internet zu fördern“, sagt Timucin. Und: Wie wichtig es sei, sich ganz persönlich gegen Hass im Netz zu stellen.
Projekttag soll alljährlich wiederholt werden
Bezogen auf das Video mit der hochschwangeren Muslima schrieben die Achtklässler als Antwort auf den erwähnten Hass-Kommentar: „Woher willst du wissen, was aus ihrem Kind später einmal wird?“ Die Klassenlehrerin Lena Pickhardt ist auch nach dem Projekttag noch überzeugt, dass hier ein wichtiger Beitrag gegen Hass und Verrohung geleistet worden ist, der nun jedes Schuljahr wiederholt werden soll. „Unsere Achtklässler befinden sich in einer Lebensphase, wo sie sich in Milieus verorten. Hinzu kommt der massive Einfluss der Medien. Da sind solche Korrektive wie so ein Projekttag ein wertvoller Beitrag, sie nicht an Hass und Gewalt zu verlieren.“