Sprockhövel. Neue Gesprächsrunde in Sprockhövel fragte: Verlieren wir unsere Demokratie? Ergebnis: Es gibt Anzeichen dafür. Was dagegen getan werden kann.
„Verlieren wir unsere Demokratie?“ lautete die Überschrift einer neuen Gesprächsreihe in der Stadtbücherei in Sprockhövel. Rund 35 Gäste diskutierten untereinander und mit Bürgermeisterin Sabine Noll über den Zustand der Gesellschaft. Deutschlandweit, aber auch lokal, der Blick auf Zustände in Sprockhövel war von besonderem Interesse. Die Runde war sich einig: Auch in dieser Stadt läuft einiges nicht gut.
Format ist Import aus Hattingen
Die Idee für das Format kommt aus der Nachbarstadt und heißt „Kick für Hattingen“. Deren Moderatorinnen Martina Przygodda und Annemarie Enßen leiteten auch in Sprockhövel die anderthalbstündige Veranstaltung, mit klaren Ansagen für Spielregeln und als Garanten für einen diszipliniertem Ablauf. Die Gäste waren bunt gemischt, kamen aus Sprockhövel und Hattingen, waren überwiegend im mittleren und höhren Alter und der Anteil an Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitikern war wie so oft in Sprockhövel wieder ziemlich hoch.
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Alle einte die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die gemeinsame Basis sei verloren gegangen, urteilte eine Diskutantin. Andere führten eine verrohte Streitkultur an, mangelndes Interesse an respektvollem Umgang bei politischen Diskussionen.
Bürgermeisterin Sabine Noll reihte sich in diese Bestandsaufnahme ein. „Ich stelle fest, dass grundsätzlich das Miteinander verloren geht“, klagte sie. Die sozialen Medien und der Umgangston dort wurde besonders von Noll kritisiert, auch die klassischen Medien kamen bei ihr nicht gut weg. Als ganz schwierig erachtet es die Sprockhöveler Verwaltungschefin, dass die Bereitschaft, sich bei komplexeren Problemen sachlich mit Informationen auseinanderzusetzen, abnimmt. Und dafür hatte sie ein Beispiel.
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Thema: Umbau der Mittelstraße. „Es wird mir dabei viel zu viel gemeckert“, so Noll. Da habe es in Haßlinghausen Unterschriftenlisten gegeben, in die sich viele Menschen eingetragen haben, um gegen Bestandteile des Umbaukonzeptes zu protestieren. „Behauptet wurde, das Projekt sei nicht ein längerer Prozess, sondern schon vorab von der Verwaltung beschlossen worden“, berichtete Noll. Mitsprachemöglichkeiten gebe es nicht, werde behauptet. Aber das stimme nicht, das habe sie auch vor Publikum im entsprechenden Fachausschuss gesagt. „Die Reaktionen in den sozialen Medien waren krass“, berichtete sie. Auch hier: „Warum setzen sich die Menschen nicht mit den Einzelheiten und den Planungsdetails auseinander?“
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Im Rechtspopulismus bzw. im Rechtsextremismus sahen die meisten Diskutanten eine fundamentale Gefahr für die Demokratie. Auch in Sprockhövel, wo die AfD zuletzt bei der Europawahl noch einmal einige Prozent zulegen konnte, schauen da viele mit unguten Gefühlen auf die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Die Bürgermeisterin führte an, zu dieser Tendenz habe auch die Politik viel beigetragen. Und zwar auf Bundes- und Landesebene: „Da herrscht ein Machtvakuum, zu wenig Führung. So entsteht der Eindruck bei Bürgerinnen und Bürgern, viele Probleme würden nicht gelöst.“ Ein Beispiel sei der Offene Ganztag: „Da wurden von oben Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt wurden.“ Und es seien die Kommunen, die das alles am Ende ausbaden müssen: „Dabei ist die Kommunalpolitik in Sprockhövel in großartiger Weise bestrebt, bei allen Unterschieden in der Anschauung gemeinsam im Sinne der Bürgerschaft zu handeln.“
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Was kann gegen Politikverdrossenheit, die die Gesprächsrunde als ein wesentliches Gift für die Demokratie erachteten, getan werden? Da kamen ein paar Vorschläge: Etwa, wie in Dänemark und Holland, mehr Engagement von der Bürgerschaft einzufordern. Oder „Wahlprüfsteine“, also Themendiskussionen im Vorfeld der Kommunalwahl zu veranstalten. Generell: Mehr Diskussionsangebote draußen auf den Plätzen. Das Diskussionsformat in der Bücherei soll im November fortgesetzt werden.