Oberhausen. Immer wieder Ärger über die neue Grundsteuer. Ein Eigentümer soll das 20-Fache zahlen. Angeblich habe er baureifes Land. Nur bauen darf er nicht.
Als Joachim Secker vor inzwischen 20 Jahren sein Eigenheim in Alstaden bezog, machte der Bauträger ihm ein attraktives Angebot. Für recht kleines Geld, so erzählt es der Oberhausener, konnte er ein Stück Land dazukaufen. Billig im Preis und auch günstig bei der Grundsteuer, zuletzt 149 Euro pro Jahr für 1616 Quadratmeter grüne Oase.
Begründung für den abgelehnten Bauantrag: Fläche ist als Grünland vorgesehen
Die Jahre gingen ins Land, als Secker 2022 die Idee eines Bauunternehmens aufgriff, die Fläche zu bebauen. Beim Gespräch in der Redaktion blättert der 75-Jährige in seinem Ordner mit den Antragsunterlagen. Darin enthalten ist auch das Schreiben, das ihn am Ende schwer enttäuschte: Vier Häuser an der Stelle zu errichten, diese Erlaubnis versagte ihm die Stadt. Zum einen würden sich die Gebäude in ihrer Bauart nicht in das Umfeld einfügen, wie es das Gesetz verlange, hieß es in der Begründung. Zum anderen handele es sich aber größtenteils um ein Stück Land, das als Grünfläche festgesetzt sei. Auf Nachfrage bestätigte Stadtsprecherin Jessica Tackenberg, dass in einer Anhörung als auch schriftlich dem Antragsteller die Gründe für die Ablehnung dargestellt worden seien.

Mit der Absage hat sich der Eigentümer dann schweren Herzens abgefunden; was nicht geht, geht eben nicht. Um so überraschter war der Rentner, als er jetzt den Grundsteuerbescheid im Postkasten fand: Er muss das 20-Fache der bisherigen Steuer zahlen, und zwar unter anderem deshalb, weil das Grundstück als baureifes Land eingestuft wird, erklärt der Eigentümer.
Besitzer befürchtete bereits nach Bescheid des Finanzamtes Ungemach
Ungemach hatte er wohl schon befürchtet, als seinerzeit das Finanzamt den Wert des Grundstückes neu festgesetzt hatte. Darin war eine deutliche Höherstufung im Vergleich zur vorherigen Bemessung enthalten. Der Wert der Fläche liegt demnach bei 350 Euro pro Quadratmeter, wie es auch die Informationen in der Datei Geobasis.nrw der NRW-Finanzverwaltung widergeben.
Hier findet sich übrigens auch der Hinweis auf ein- oder zweigeschossige Bauweise, die bei der Stadt aber keine Zustimmung fand. „Das gesamte Gelände wird als Bauland betrachtet, obwohl ich kurze Zeit zuvor die Nachricht schwarz auf weiß bekommen habe, dass mein Bauantrag abgelehnt wurde“, ärgert sich der Oberhausener.

Aufgesplittete Gewerbesteuer treibt Grundsteuer zusätzlich in die Höhe
Dass nun die Grundsteuer regelrecht explodiert, steigt sie doch von besagten 149 Euro auf 3024 Euro im Jahr, liegt aber nicht allein in der Neubewertung begründet, sondern in der neuen Ausgestaltung der Hebesätze. Erstmals sind diese gesplittet: Für bewohnte Grundstücke liegt der Satz bei 727 Prozent, für nicht-bewohnte, Firmen, Läden und eben auch unbebaute Flächen ist er auf 1389 Prozent gestiegen. Der Rat hatte sich zu der Aufteilung entschieden, weil ein mittlerer und einheitlicher Wert vor allem Eigenheimbesitzer über Gebühr belastet hätte.
Joachim Secker hat schon vor zwei Jahren beim Finanzamt Widerspruch eingelegt mit dem Ziel, dass die neue Bewertung ausgesetzt werde. Das lehnte die Behörde allerdings mit folgender Begründung ab: Die von ihm angeführten „ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bewertungs- und Grundsteuerrechts“ könne man nicht entsprechen. Von einem „Einzelfall“ ist in dem Brief die Rede und davon, dass eine „geordnete Haushaltsführung“ Vorrang habe. Bemerkenswert findet der Oberhausener den Satz in dem Antwortschreiben, dass es sich um eine „Steuer mit im Regelfall überschaubarem Belastungsniveau handelt“.
Oberhausener Eigentümer wandte sich an den Oberbürgermeister
Secker ließ aber nicht locker, schrieb zurück und betonte, auf die Gründe für seinen Einspruch sei das Finanzamt überhaupt nicht eingegangen. Denn bei dem Grundstück handele es sich im Wesentlichen um eine Grünfläche. Auf eine Antwort darauf wartet er bis heute.
Widerspruch hat der Oberhausener auch gegen den Bescheid aus dem Rathaus eingereicht. Da ihn aber das Vorgehen der Stadt mächtig wurmt, hat er bereits versucht, direkt mit Oberbürgermeister Daniel Schranz Kontakt aufzunehmen. Vor wenigen Tagen erhielt er den Bescheid, dass seine Mail an das zuständige Dezernat im Rathaus weitergeleitet worden ist. Der Alstadener behält sich aber vor, sich schon einmal selbst telefonisch zu melden. Da er aber nicht nur kritisieren will, betont Joachim Secker: Die Grundsteuer für das Eigenheim samt 500 Quadratmeter Grund ist auch gestiegen, aber um 48 Euro. „Das ist vertretbar.“
Steuerzahlerbund: Musterklage gegen das Berechnungsmodell
Für Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler in NRW sind Fälle wie der des Oberhauseners einer der maßgeblichen Gründe, um Musterverfahren gegen das Berechnungsmodell zu führen. Denn es werde einfach bei jedem Grundstück vorausgesetzt, dass es sich um baureifes Land handele, und zwar in der gesamten Fläche. Dabei könne ein Besitzer in der Regel überhaupt nicht das Gelände komplett für eine Bebauung in Anspruch nehmen, sondern angesichts von einzuhaltenden Abständen nur einen bestimmten Teil.
Zudem komme angesichts vorhandener Gesetze und Bestimmungen eine Fläche überhaupt nicht für eine Bebauung in Betracht. In der Redaktion meldete sich vor kurzem eine Bürgerin, die aber nicht mit Namen genannt werden möchte, deren Grundstück hinter einem Wohnhaus liegt. „Für Bauarbeiten mit erforderlichen Gerätschaften ist die Fläche überhaupt nicht erreichbar“, sagt sie. Auch diese Besitzerin soll ein Vielfaches der bisherigen Grundsteuer entrichten und steht bereits mit ihrem Anwalt in Kontakt.
Offen ist derzeit, wann in den Musterverfahren eine Entscheidung fällt und was die dann für die Hauseigentümer bedeuten. Um eines kommen sie aber nicht herum: Sie müssen jetzt erst einmal zahlen.
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