Oberhausen. Mitten im Wohnpark an der Oberhausener Bebelstraße liegt eine Kita. Sie bietet 137 Kindern Platz. Geschwisterkinder sind hier die Regel.
Löcher-Bretter, in denen Eltern zusammengerollte Briefe finden, gibt es in vielen Kitas. In den meisten reicht das Wort „Elternpost“ als Hinweis aus. In der städtischen Kity City-West im Wohnpark an der Bebelstraße, würde man damit aber nicht viele Eltern erreichen. Sie würden es nicht verstehen. Deshalb stehen über dem Brett noch eine Handvoll Übersetzungen: Veli Post, Parents Post, Post Parent und natürlich dasselbe in arabischer Schrift. „Die Konflikte dieser Welt kommen hier nicht an. Die Kinder wollen einfach hier sein“, sagt Leiterin Sandra Fileccia-Tratnik. „Hier sitzt ein Christ neben einem Muslim. Jeder darf seine Haltung, seine Religion einbringen.“ Und das sind viele.
In Oberhausen sind Betreuungsplätze oft ein Anlass für Kritik. Es gibt momentan zu wenige. Dazu fehlt noch das Personal und das Geld. Träger beklagen eine Unterfinanzierung. An vielen Stellen drückt es im Kita-System. Trotzdem gibt es auch gute Beispiele, außergewöhnliche Kitas und Konzepte. Einige wollen wir in einer losen Serie vorstellen.
Kita im Brennpunkt: Sechs Geschwister sind keine Seltenheit
Die Kindertageseinrichtung City-West ist eine besondere und liegt obendrein an einem besonderen Ort. Der Wohnpark an der Bebelstraße ist stadtbekannt, hunderte Familien leben in den dicht gedrängten Türmen. Sie versprechen billigen Wohnraum und eine Nähe zur Innenstadt. Auch die Wahl der Kinderbetreuung fällt nicht schwer. Die Kita befindet sich im Erdgeschoss einer der Wohntürme. Sie bietet 137 Kindern Platz. Manche Familien bleiben über Generationen. „Vier, fünf oder sechs Geschwisterkinder sind keine Seltenheit“, sagt Leiterin Fileccia-Tratnik. Eine Familie habe sogar elf Kinder. „Wir begleiten Familien über einen langen Zeitraum.“ Mütter und Väter seien gelegentlich selbst in diese Kita gegangen.
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Verändert haben dürfte sich in all den Jahren nicht viel. In der großen Eingangshalle sind die Wände holzvertäfelt, so wie es früher Mode war. Statt einer Decke hängt über den Köpfen ein Sicherheitsnetz. Oben geht es auf einer weiteren Etage weiter. Doch nicht nur da: Die Kita mit ihren sechs Gruppen ist verwinkelt wie eine Burg. Die Platznachfrage machte Erweiterungen nötig. Praktisch, wenn man in einem Wohnpark ist: Es wurden einfach Wohnungen angemietet. Über Terrassentüren kommt man zu dem großen Außenbereich. Auch der erstreckt sich über mehrere Ebenen. Auf einem Balkon steht ein Hochbeet.
Kita Cty-West in Oberhausen: Vernetzung als Erfolgsfaktor
Die Kleinen finden sich hier wunderbar zurecht. In einem Mittelgang zur Turnhalle ist ein wildes Tierspiel in Gang. Mädchen gucken schelmisch die großen Besucher an. Sandra Fileccia-Tratnik kennt die Kinder alle beim Namen und grüßt sie auf den Fluren. Nichts für ungeübte Zungen. Sie haben schöne Namen wie Aailyah oder Zuneira. „Uns ist wichtig, dass wir die deutsche Kultur vermitteln. Aber das ist kein Schwerpunkt. Wir haben hier auch ein Zuckerfest gefeiert.“
Trotz aller globalen Konflikte zwischen den Religionen und Gruppen herrscht in der Kita City-West Frieden. Den Kindern ist es ohnehin gleich, woher ihr Spielpartner kommt. Und die Eltern beschreibt die Leiterin als „sehr zufrieden“: Sie seien dankbar für die Betreuung, aber auch für die Unterstützung, die manchmal ganz praktisch ausfällt. Die Erzieherinnen und Erzieher helfen zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen. Vernetzung sei das A und O. Projekte wie „Wir im Revier“ bieten Elterncafés und Lotsen-Beratung an. Die Kita arbeitet mit der Stadtbücherei, der Concordiaschule oder der katholischen Familienbildungsstätte zusammen. „Diese niederschwelligen Angebote werden exorbitant gut angenommen“, sagt Fileccia-Tratnik. Jugendamtsleiter Benjamin Roth und Familiendezernent Jürgen Schmidt loben die Arbeit vor Ort und betonen, dass die friedfertige Stimmung nicht von allein kommt. „Hier wird auch großer Wert auf Fortbildungen gelegt“, sagt Roth.
Kita im Wohnpark an der Bebelstraße: Kaum Vandalismus
„Vier, fünf oder sechs Geschwisterkinder sind keine Seltenheit. Eine Familie hat elf Kinder. Wir begleiten Familien über einen langen Zeitraum.“
Nur in den wenigsten Familien sind beide Eltern berufstätig. Betreuungsengpässe sind dadurch kein großes Thema in der Kita. Nur 26 Kinder bleiben länger als 14 Uhr und essen in der Kita. Dafür spielt die Sprachförderung eine große Rolle: Manche Kinder sind mit ihren Familien aus Krisengebieten geflüchtet. Deutsch wird zu Hause nicht gesprochen. In der Kita helfen Fachkräfte beim Erwerb der Sprache. Auch jene, die schon länger hier leben, benötigen Unterstützung, etwa durch eine Logopädin. In der Kita-eigenen Bibliothek gibt es reine Bilderbücher, damit auch Analphabeten mit ihren Kindern lesen können.
Im Wohnpark an der Bebelstraße beziehen überdurchschnittlich viele Familien Sozialhilfe. Wer zu wenig eigenes Einkommen hat, wird vom Elternbeitrag befreit. Trotz der finanziellen Sorgen und Nöte kann Leiterin Sandra Fileccia-Tratnik ein Vorurteil nicht bestätigen: Dass dort, wo viele Probleme zusammenkommen, auch viel kaputt gemacht wird. Vandalismus gebe es kaum, das Hochbeet auf einem der Balkone sei auch nicht angetastet worden. Als in Schulen und Kitas in Serie eingebrochen wurde, blieb die Kita City-West verschont. „Wenn jemand etwas auf dem Gelände kaputt macht, wird er auch schnell erkannt“, glaubt Roth. Die soziale Kontrolle funktioniere. Oder anders: Was so wichtig ist fürs Leben, wird in Ruhe gelassen.
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