Oberhausen: Plötzlich tanzt eine Boyband auf den Stühlen
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Oberhausen. Im randvollen Ebertbad haben Karnevalisten der KG „Echte Fründe“ eine turbulente Prunksitzung gefeiert. Prinz sorgt für eine unerwartete Einlage.
Wenn Menschen im Hallenfoyer einen Kreis bilden und sich auf den großen Auftritt einschwören. Wenn sich trainierte Beine zum Aufwärmen an Treppenstufen dehnen und biegen. Wenn jubelnde Anhänger ihre favorisierten Farben auftragen und glitzernde Medaillen um Hälse klimpern. Dann ist entweder Olympia - oder eben Karneval.
Im Oberhausener Ebertbad konnte man mehr als vier Stunden Prunksitzung als sportliche Herausforderung verstehen. In der ehemaligen Badeanstalt strampeln sich Gäste wie Bühnenprotagonisten zügig von winterlicher Miesepetrigkeit frei. Elf Freunde müsst ihr sein? Nein, 340 „Echte Fründe“! Die Karnevalsgesellschaft mit dem geselligen Namen eröffnete am Samstagabend ausverkauft den Saalkarneval in Oberhausen.
Ja, ein bisschen auftauen müssen die Helau-Rufer schon noch. Conférencier Tim Lufen betätigt sich zwischendurch als Gute-Laune-Trainer: „Wie wär‘s denn mit Applaus?“ Gar keine schlechte Idee.
Karneval in Oberhausen: Dreigestirn überrascht Narren mit tänzerischer Finesse
Abtanzen kann die Narrenmannschaft dennoch hurtig. Das liegt wiederum am flott zusammenkomponierten Klangblock mit launigen Musikern. Verrücktester Bandname: die Jeck Street Boys! Steven Timmerman, Sascha Breuer-Rölke und Andreas Hardegen plaudern sozusagen aus dem Trainingslager. „Wir wollten schon immer in einer Boyband singen. Also Kastelruther Spatzen, die Flippers…“ Joa, Tusch!
Da es für Schlager- und Volksmusikanten offenbar nicht langte, geben sie nun bekannten Hits der Backstreet Boys eine rheinische Textnote. Und da gibt es auch kein Unentschieden, wenn kritische Boyband-Fans „Quit playing Games with my Heart“ oder „Get down“ (übrigens umgetextet in: „Die Frau / die hat mich umgehaun!“) bewerten müssen.
Kreischgewitter oder lieber schnell zur Seitenstraße flüchten, liegen bei den Domstadt-Backstreet-Boys nah beieinander. Turnübungen besteht das Trio jedenfalls erfolgreich - und singt sogar im Publikum auf den Stühlen.
Für eine besondere Tanznote sorgt auch Prinz René „Bagga“ Bargatzky. Der Regent im Dreigestirn der Karnevalsgemeinschaft „Dampf drauf“ kapert samt Team beim Showtanz seiner Prinzengarde mit selbst gelernten Schritten die jecke Manege. Ein tanzender Prinz, der seine bejubelte Einlage aber realistisch einordnet: „Ich tanze nur eine Minute. Für das, was meine Garde und das Tanzmariechen Talina jedes Mal leisten, kann ich mich nur bedanken.“
„Ich tanze nur eine Minute. Für das, was meine Garde und das Tanzmariechen Talina jedes Mal leisten, kann ich mich nur bedanken.“
Eine verbale Goldmedaille im Ebertbad, in dem es an Karnevalsorden an diesem Abend wahrlich nicht mangelt. Die tänzerischen Leistungen der „Fründe“-Garden musste der Regent wirklich nicht verstecken - von klassisch bis bebend modern.
Karneval in Oberhausen: Stimmungsband „Die Karos“ kürt einen streitbaren Allzeit-Hit
Offenbar legen Narren für den Oberhausener Karneval weite Strecken zurück. Als Sitzungspräsident Tim Lufen nach dem Besucher mit der weitesten Anreise fragt, muss sich der „Duisburg“-Zwischenrufer schnell ducken. Das sächsische Zwickau belegt den ersten Anreise-Rang. Das sind knapp 500 Kilometer.
Bel Air liegt im Speckgürtel der einstigen wie zukünftigen Olympiastadt Los Angeles sicher noch weiter entfernt. Die gleichnamige Stimmungsband nimmt aber die Kurzstrecke. Aus dem Raum Köln stammend färben sie den Himmel bunt. Ihren launigen Karnevalshit „Konfetti in der Luff“ können viele Jecken im Ebertbad schon ohne zu stolpern mitsingen.
Ansonsten sorgt die Karnevalsgesellschaft „Echte Fründe“ einfach selbst für Schmunzler. Der wenig hüftschonende Macarena-Tanz wird kurzerhand gemeinsam mit dem Publikum auf der Bühne imitiert. Ausgelobter Preis: ein Freigetränk.
Und als sich der lange Schunkelabend so langsam gen Ende schlängelt, klärt die Gruppe „Die Karos“ im Kosmos von Bützchen und Kamelle eine schier philosophische Frage: „Welches Karnevalslied ist eigentlich das schönste ever?“ Nachdem die ersten Akkorde von „Denn wenn dat Trömmelche jeht“ erklingen, gibt es wenig Widerspruch. Streiten kann man darüber aber schon. Jeder Jeck mag es schließlich anders.
Karneval in Oberhausen: Karnevalsgesellschaft „Echte Fründe“ legt 2026 noch früher los
Aber gemäß der kölschen Weisheit „Et hätt noch immer jot jejange“ gelingt der Zieleinlauf. Die Narren feiern eine kurzweilige Prunksitzung, mit guten Tanzdarbietungen, viel Augenmerk auf Stimmungsbands und einer ausbleibenden Pointe: Der Büttenredner fehlt, wie zuletzt so oft in jecken Sälen im Revier.
Obwohl, einer geht noch: Die munter feiernden Karnevalisten haben schon den Sitzungstermin für das kommende Jahr festgezurrt. Den Titel für die erste Prunksitzung des Jahres wird ihnen so schnell keiner streitig machen.
Die Karnevalsgesellschaft „Echte Fründe“ feiert dann am sehr frühen Samstag, 3. Januar 2026, im Ebertbad. Das lässt Sitzungspräsident Lufen kalauern: „Das nächste Mal feiern wir einfach schon an Neujahr!“
Vier Stunden Sause: Die besten Fotos der Fründe-Prunksitzung
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